Strymon Nightsky Test – Reverb-Pedal für Live & Studio

Der Strymon Nightsky ist eines jener Reverb-Pedale, die man nicht einfach in eine Signalkette hängt, um „ein bisschen Hall“ zu bekommen. Er verändert das Spiel, den Sound – und im besten Fall sogar die eigene musikalische Denkweise. Als Gitarrist, der regelmäßig live spielt und viel im Studio arbeitet, war für mich sofort klar: Dieses Pedal ist kein Effektgerät im klassischen Sinn, sondern ein Werkzeug, das klangliche Räume baut, in denen man sich als Musiker verliert – oder bewusst orientiert.

Der Nightsky ist strahlend blau, wirkt wertig und robust, und schon das Bedienfeld signalisiert: Hier steckt Komplexität drin. Drei Fußschalter, zahlreiche Regler, Dual-Funktionstasten und mehrere Ebenen, die den Hall nicht nur formen, sondern performativ spielen lassen. Genau das macht ihn so spannend – und manchmal herausfordernd.

Anschlüsse und Routing

Der Strymon Nightsky zeigt bereits auf der Rückseite, wie flexibel er sich in unterschiedlichste Setups integrieren lässt. Die beiden Eingänge und Ausgänge erlauben einen vollständigen Stereobetrieb, der sowohl auf Pedalboards als auch im Studio enorme klangliche Tiefe erzeugt. Gerade für weitläufige Ambient-Hallräume, modulierte Texturen oder schimmernde Pitch-Variationen ist die Möglichkeit, das Pedal in Stereo zu betreiben, ein enormer Vorteil.

Eine Besonderheit ist der kleine Schalter, mit dem sich zwischen Instrumenten- und Line-Pegel umschalten lässt. Dadurch lässt sich der Nightsky ebenso problemlos vor einem Gitarrenverstärker einsetzen wie in einem FX-Loop oder hinter einem Audiointerface. Synthesizer, Drum-Machines und Outboard-Prozessoren können ohne zusätzliche Anpassungen angeschlossen werden, was den Nightsky zu einem echten Brückenbauer zwischen Gitarrenwelt und Studioumgebung macht.

Neben den Audioanschlüssen bietet das Pedal einen Eingang für ein Expression-Pedal, das nahezu alle Parameter in Echtzeit steuern kann. Gerade live erweitert das die Ausdrucksmöglichkeiten enorm, weil sich Halllänge, Pitch-Verläufe oder Modulationen während des Spiels formen lassen.

Über MIDI In und Out lässt sich der Nightsky vollständig fernsteuern, was ihn besonders für Studios mit komplexen Setups oder DAW-Automation interessant macht. Presets, Parameterbewegungen, Sequencer-Steuerung oder Clock-Synchronisation können über MIDI eingebunden werden und machen das Pedal zu einem vollwertigen, automatisierbaren Effektmodul.

Ein USB-Anschluss sorgt dafür, dass Firmware-Updates unkompliziert eingespielt werden können und ermöglicht alternativ die Übertragung von MIDI-Daten. Der 9V-DC-Netzteilanschluss rundet die Rückseite ab; durch den relativ hohen Strombedarf sollte man jedoch ein entsprechend dimensioniertes Netzteil einplanen, wenn man das Pedal auf dem Board betreibt.

Insgesamt zeigt schon die Anschlussvielfalt, dass der Nightsky nicht nur ein Effektgerät für Gitarristen ist, sondern ein professionelles Werkzeug, das sich mühelos in moderne Studio- und Livesysteme integrieren lässt.

Sparse – Reverb und Delay verschmelzen

Als Gitarrist fühlt sich „Sparse“ fast wie ein Hybrid aus Reverb und rhythmischem Slapback an. Einzelne Reflexionen brechen sich deutlich hörbar im Raum, ohne die Attack des Instruments zu verschmieren. In rhythmischen Parts, Arpeggios oder beim Einsatz von viel Dynamik wirkt dieser Algorithmus extrem musikalisch – vor allem live, wenn man dem Publikum deutliche Transienten liefern will.

Wichtig dabei sind die Parameter:

  • Decay reagiert ungewöhnlich direkt und kann von einem fast trockenen Short-Reverb bis hin zu endlosen, schimmernden Loops reichen.
  • Texture bestimmt, ob die Reflexionen kantig oder verwaschen auftreten. Je weiter der Regler geöffnet wird, desto stärker lösen sich die Einzelschläge in eine weiche Fläche auf.

Dense – der Live-Plate für große Gitarrenflächen

Dense ist der Modus, in dem ich als Live-Gitarrist die meiste Zeit lande. Der Algorithmus erinnert an einen extrem breiten Plate-Hall, wirkt dabei aber etwas dichter und weniger metallisch als klassische Plate-Emulationen. Powerchords bekommen einen majestätischen Schweif, Single Notes wachsen förmlich nach hinten weg.

Der Low- und High-Damping-Parameter ist im Live-Kontext Gold wert:

  • Zuviel Höhenanteil lässt einen großen Reverb in hellen Konzerträumen schnell schrill wirken.
  • Eine stärkere Bedämpfung nach oben hin macht den Hall runder und weniger aufdringlich.

Im Studio greife ich dagegen gerne auf eine offenere Einstellung zurück, weil dichte Hallfahnen im Mix mehr Tiefe erzeugen.

Diffuse – Ambient-Heaven

Diffuse ist der Modus, der die Gitarre fast vollständig in eine klangliche Wolke verwandelt. Attack verschwindet, Einschwingvorgänge lösen sich auf, und der Ton flutet langsam in den Raum hinein. Besonders interessant wird es, wenn man den Nightsky über den Infinite-Modus spielt:

  • Pads lassen sich halten und mit frischen Gitarrensignalen „überspielen“.
  • Mit dem Tone- und Filterbereich kann man diese Wolke von warmen Analogflächen bis zu glitzernden, digital anmutenden Schimmerklängen formen.

Für Studio-Ambient- oder Post-Rock-Produktionen ist dieser Modus ein Geschenk.

Pitch-Sektion: Mehr als Shimmer – ein harmonisches Werkzeug

Die Pitch-Sektion des Nightsky ist viel flexibler als die typischen Shimmer-Ansätze anderer Reverbs.
Neben Oktaven bietet das Pedal Intervalle, die auch unterhalb des Grundtons liegen. Dadurch entstehen atmosphärische, dunkle Räume, die besonders gut mit Gitarren mit Singlecoils harmonieren.

Die Justierung erfolgt über drei wesentliche Parameter:

Pitch Interval: Hier wählt man das Intervall, das zum Reverb hinzugefügt wird. Besonders spannend für Gitarre:

  • +5 oder +7 für cineastische Shimmer-Akkorde
  • –5 oder –12 für düstere, sonor vibrierende Klangtexturen
  • unisono mit leichter Detune-Einstellung für breite Stereo-Pads

Pitch Mod: Damit lässt sich die Tonhöhe modulieren – subtil für leichte Unruhe in der Hallfahne oder drastisch für Sci-Fi-Soundscapes.

Amount: Mischt das Pitch-Signal dem Reverb zu. Bei hohen Werten entsteht ein dominanter künstlicher Raum, der live schnell zu viel werden kann, im Studio aber großartige Stereolandschaften erzeugt.

Mod-Sektion: Das eigentliche Herzstück

Die Mod-Sektion ist der Teil des Nightsky, an dem man merkt, dass Strymon nicht nur Gitarristen im Blick hatte, sondern Sounddesigner.
Modulation lässt sich auf drei Ziele routen: Reverb, Pitch, Filter.

Geschwindigkeiten & Wellenformen

  • Von ultralangsam (fast stehende Modulationen für Ambient)
  • Bis extrem schnell (korrosive, vibrierende Obertonstrukturen)

Wellenformen reichen von weich (Sine) bis kantig (Square, Ramp). Für Gitarristen besonders interessant:

  • Triangle erzeugt einen organischen, pulsierenden Modulationsfluss
  • Random schafft bewegte, unvorhersehbare Texturen

Live lässt sich die Mod-Intensität sehr gut kontrollieren – ideal, um zwischen Strophen und Refrain unterschiedliche Räumlichkeiten zu formen.

Drive, Glimmer und Morph – kreative Add-ons

Drive: Ein subtiler Overdrive im Reverb-Signal, der den Hall mehr Präsenz und Wärme verleiht. Besonders bei cleanen E-Gitarren entsteht dadurch ein schöner analoger Charakter.

Glimmer: Eine Art komplexer Shimmer-Generator, der über dem Hall zusätzliche harmonische Strukturen anlegt. Klingt weniger „cheesy“ als bei vielen Konkurrenzpedalen – eher wie eine Mischung aus Pitch und Obertongenerierung.

Morph: Mit dem Hold-Fußschalter lässt sich zwischen zwei Soundzuständen überblenden.
Live ist das spektakulär: Man startet mit einem trockenen, definierten Hall und blendet in eine flickernde Ambient-Fahne. Für Soli oder Übergänge ist das ein großartiges Werkzeug.

Step-Sequencer: Für Gitarristen ungewöhnlich – aber inspirierend

Der achtstufige Sequencer wirkt auf den ersten Blick wie ein Feature für Synthesizerspieler, doch auch mit Gitarre lässt sich damit viel anfangen:

  • Harmonisierte Reverbbewegungen im Arpeggio-Stil
  • Rhythmische Hallakzente, die die eigene Spielweise ergänzen
  • Subtile oder drastische „Pitch-Sprünge“ in der Hallfahne beim Loslassen des Tons

Im Studio nutze ich ihn, um Pads zu erzeugen, die sich über die Zeit entwickeln – etwas, das mit normalen Reverbs kaum möglich ist.

Preset-Management und Bedienung

Der Nightsky ist komplex – keine Frage.
Viele Funktionen liegen auf Shift-Ebenen, manche Regler haben Doppelfunktionen, und ohne Blick ins Manual geht es am Anfang kaum.

Für den Studioeinsatz mit MIDI sind die bis zu 300 Presets ein Segen.
Live nutze ich dagegen meist nur wenige Favoriten, weil die Echtzeitinteraktion mit den Reglern mehr Spaß macht und musikalischer wirkt.

Der Infinite-Modus gehört für mich zu den stärksten Features:

  • Halten einer Fläche
  • Darüber improvisieren
  • Den Raum nach und nach modulieren

Für Ambient-Gigs oder Solos ist das ein echtes Signature-Tool.

Fazit – Der Strymon Nightsky

Der Strymon Nightsky ist kein Reverb, den man einmal einstellt und vergisst.
Er ist ein lebendiges, performatives Effektgerät, das den eigenen Sound transformiert – ob live auf der Bühne oder beim Studio-Overdub. Mit seinen drei Reverb-Algorithmen, der flexiblen Pitch-Sektion und den Modulationsmöglichkeiten ist er weit mehr als ein luxuriöser Hall. Er ist ein kreativer Raumgenerator. Für live spielende Gitarristen punktet er durch direkten Zugriff, große dynamische Bandbreite und inspirierende Morphing-Funktionen. Im Studio überzeugt seine Präzision, Stereobreite und das modulierte Reverb-Design, das sich perfekt in moderne Gitarrensounds einfügt. Wer ein klassisches Reverb sucht, wird hier nicht glücklich. Wer aber nach einem Instrument im Instrument sucht, wird den Nightsky kaum mehr vom Board nehmen.

Pro

  • Vielseitige Reverb-Algorithmen
  • Fantastische Ambient- und Textur-Sounds
  • Hohe Klangqualität & Bedienkomfort

Contra

  • Hoher Preis
  • Komplexe Bedienung
  • Größe & Gewicht

Link zur Herstellerseite: www.strymon.com

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