Kampf der Miniatur-Riesen: Kemper Profiler Player vs. Neural DSP Nano Cortex

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Analog oder Digital?

Seit über einem Jahrzehnt lässt sich die Frage „Analog oder Digital?“ für Gitarristen nicht mehr eindeutig beantworten. Damals zweifelten viele noch daran, dass „diese ominöse DSP-Technologie“ (Digital Sound Processing) jemals die guten alten Röhrenamps von den Bühnen dieser Welt verdrängen würde. Tja, was soll man zehn Jahre später sagen? Wer heute auf einem Festival seinen Blick aufmerksam gen Bühne richtet, wird nach einigen Acts feststellen: Das klassische Fullstack-Setup sieht man häufiger im Rockmuseum als auf der Main Stage. 100-Watt-Amps und 4x12er-Boxen? Heute eher Bühnen-Deko als klangliches Rückgrat.

Riesige Verstärkerwände aus hohlen Dummys schienen damals schon niemanden zu stören. Aber läuft das Signal auch nur durch einen Computerchip, dann verlieren alle Puristen reihenweise den Verstand. Es ist und bleibt ein schwieriges Thema. Gut, man muss als Gitarrist auch zugeben, dass eine zwei Meter hohe Reihe schwarzer Amps mit goldenem Control Panel und dem berühmten geschwungenen „M“ auf einer Bühne einfach nur Hammer aussieht 😉

Was beim Thema DSP allerdings selbst viele Early Adopter nicht haben kommen sehen: Dass diese Geräte bald in der Größe eines alten EHX Big Muff daherkommen würden. Man fühlt sich wie in einer Eighties-Komödie: „Liebling, ich habe die Modeler geschrumpft“. Aber geht das auch ohne Klangeinbußen? Wir werfen einen Blick auf die zwei gefragtesten Vertreter dieser Miniatur-Gilde.

Neural DSP Nano Cortex

Schrägansicht des Neural DSP Nano Cortex.
Neural DSP Nano Cortex

Die finnischen Software-Wizards von Neural DSP genießen unter Metal-Gitarristen durch ihre exzellenten VST-Amp-Plugins inzwischen schon Kultstatus – so wie Kikkoman bei den Sojasoßen. Kaum wegzudenken aus modernen Gitarren-Setups. Der Ruf nach Hardware wurde zunächst mit dem Quad Cortex beantwortet, der dem Kemper Profiler in puncto Sound und Bedienkomfort ernsthaft Konkurrenz machte. Zur NAMM 2024 wurde dann das kleine Brüderchen angekündigt: der Nano Cortex – eher als Ergänzung fürs Pedalboard gedacht, nicht unbedingt als kompletter Ersatz.

Hauptmerkmale:

  • Neural Capture-Technologie: Erstelle detailgetreue Captures deiner Amps, Cabs und Pedale direkt auf dem Gerät – ganz ohne PC oder App.

  • Digitale Signalkette: Sieben Blöcke (2× Pre-FX, 3× Post-FX, 1× Neural Capture, 1× IR-Loader) für flexible Soundgestaltung.

  • Konnektivität: Bluetooth für Preset-Verwaltung via Cortex Cloud App, USB-C für MIDI und Audio-Interface-Funktion.

  • 2 Fußschalter: Jeweils mit zwei Presets belegbar.

  • Preis: ca. 505 € bei Music Store

Praxis:

Was der Nano Cortex klanglich abliefert, ist in dieser Größen- und Preisklasse schlicht beeindruckend. Vom glasklaren Clean-Sound à la Fender ’65 Deluxe Reverb über dreckigen Octave-Fuzz-Dampfmaschinen bis zum modernen Metal-Brett mit Pitch-Shifting runter ins 8-String-Tuning – der Kleine liefert! Er liefert satte, detailreiche Ergebnisse. Auch mit externen Kompressoren, Verzerrern oder Modulations-/Delay-Effekten harmoniert er wunderbar.

Mit einem Strombedarf von nur 600 mA bei 9–12 V kann er von den meisten Multi-Netzteilen befeuert werden und ist daher extrem Pedalboard-freundlich. Ein echtes Plus!

Bedienung:

Die schlicht gehaltene Oberfläche bietet sechs Potis (Gain, Bass, Mitten, Höhen, Effektanteil, Master), die sich trotz Kunststoff wertig anfühlen. Zusätzlich bieten die im Fußschalter verbauten Potis Zugriff auf verschiedene Amp- und Cab-Sims. Zwei kleine Taster steuern Preset-Bänke und Effektkombis. Für alles Weitere gibt’s die intuitive Cortex Cloud App – logisch aufgebaut, gut durchdacht.

Anschlüsse des Neural DSP Nano Cortex.

Anschlüsse:

Oben am Gerät befinden sich Buchsen für Input, Stereo-Out (L & R), Expression- oder MIDI-Pedal, Kopfhörer (3,5 mm), USB-C und Stromversorgung. Rechts sitzt die Kombibuchse fürs Capturing sowie ein Boost-Knopf.

Kemper Profiler Player

Schrägansicht des Kemper Profiler Player.
Kemper Profiler Player

Als der Kemper Profiler einst aus den Rauchschwaden des Ruhrgebiets emporstieg, sorgte das toasterförmige Gerät sofort für Gesprächsstoff. Man kann tatsächlich guten Gewissens sagen es ist eine polarisierende Erscheinung – aber klanglich bahnbrechend und absolut wegweisend für die DSP Welt. Nicht nur aufgrund des grandiosen Sounds, etablierte sich der Profiler schnell zum „go-to“ Bühnengerät für Gitarristen aller Genres, sondern auch weil er bei weitem nicht so zickig ist, wie die meisten Röhrenverstärker. Seither ist viel passiert und auch Kemper hat seine Geräte konsequent geschrumpft.

Hauptmerkmale:

  • Amp-Profiling: Lade unzählige Amp-Profile aus der umfangreichen Kemper-Library oder nutze die neuen Liquid Profiles mit authentischer Klangregelung.

  • Digitale Signalkette: Vier Effektblöcke (2× Pre-, 2× Post-Amp), getrennte Blöcke für Amp & Cab, plus globale Einstellungen.

  • Konnektivität: USB für Audio-Interface, Bluetooth für Audio-Streaming, WLAN für App-Steuerung, MIDI über USB oder TRS.

  • 3 Fußschalter: komplett frei belegbar
  • Preis: ca. 698 € bei Music Store

Praxis:

Der keine Kemper Player hält was er verspricht und liefert den bewährten Kemper-Sound. Vom sanften Clean bis zum hochkomplexen Metal-Massiv ist alles drin und alles findet in der Oberliga statt. Keine Abstriche, keine Kompromisse bei der Klangqualität. Lediglich die Pre- & Posteffekt Anzahl wurde von 4 auf 2 reduziert. Die ab Werk mitgelieferten Presets machen sofort Laune und inspirieren. Auch als Plattform für externe Pedale überzeugt der Mini-Kemper auf ganzer Linie: „Ja! Gib mir mehr!“ scheint er zu rufen.

Mit 2,5 A Stromverbrauch bei 9–12 V ist er ziemlich stromhungrig – aber das passende Netzteil liegt bei.

Bedienung:

Optisch orientiert sich der Player klar erkennbar an seinen größeren Geschwistern. Acht Potis regeln Gain, Bass, Mitten, Höhen, FX 1 & 2, Rig und Master. Vier runde Buttons aktivieren Effekte, Bluetooth/WLAN oder den Kemper Kone. Die rechteckigen Tasten darunter steuern Bänke und Presets. Auch hier können wir über die übersichtlich strukturierte Rig Manager App chirurgisches Feintuning betreiben. Die Fußschalterfunktionen sind außerdem ebenfalls über die App frei belegbar – ab Werk navigiert man damit zwischen Presets und Effekten.

Anschlüsse des Kemper Profiler Player.

Anschlüsse:

Fünf 6,3-mm-Klinkenbuchsen (Input, Stereo-Out, Headphone, Expression), XLR-Ausgang fürs Pult oder FRFR, dazu USB-A und USB-B für MIDI, Soundverwaltung und Audio Interface.

Kemper Profiler Player vs. Neural DSP Nano Cortex – Fazit

Ein Blick auf die Features hilft bei der Kaufentscheidung – die Unterschiede liegen vor allem im Detail.

Vorteile Neural DSP Nano Cortex:

  • Niedriger Strombedarf → einfacher ins Pedalboard integrierbar

  • Capture-Funktion für Amps & Pedale

  • Größere Auswahl an Effekten

Vorteile Kemper Profiler Player:

  • Symmetrischer XLR-Ausgang

  • Drei frei belegbare Fußschalter

  • Mehr direkter Zugriff auf Presets ohne App

Klanglich? Beide stehen ganz oben auf dem Sound-Olymp! Natürlich gibt es Presets, die einen direkt aus den Latschen hauen – und andere, die eher solide sind. Aber: Kein einziger Sound ist schlecht oder halbgar. Wenn es überhaupt was zu meckern gibt, dann ist das Jammern auf sehr, sehr hohem Niveau. Was wir hier haben, ist ein echtes Kopf-an-Kopf-Rennen der Mini-Giganten.

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