Früher war alles besser – unterm voll aufgerissenen Plexi standen zwei wuchtige 4x12er Boxen und der Ampeg-Kühlschrank hat einem die Bässe derartig in die Magengegend geprügelt, dass man nicht mehr wusste, wo oben und unten ist. Die Sänger kreischten in höchsten Lagen über dem Lärm, um überhaupt irgendwie hörbar zu sein, und ein Drummer ohne Dachdeckerausbildung war schlichtweg zu leise.
Das war noch richtiger Rock ’n’ Roll. Nach dem Konzert hat man dann wochenlang ein treues Fiepen im Ohr gehabt, und alle haben irgendwie undeutlich gesprochen – ein ausdrucksstarkes „WAAAAASSS?“ gehörte zum guten Ton.
Es ist also verständlich, dass die Lautstärke auf den Bühnen der Nation immer weiter runtergefahren wird. Das ist gesünder für Publikum und Bands. Kein Wunder also, dass kleine Combos und Lunchbox-Amps boomen. Und mit dem richtigen Mikro klingt’s dann über die PA trotzdem richtig groß und druckvoll. Heute schauen wir uns vier verschiedene Bauarten von Mikrofonen für Gitarre an, die jeder Gitarrist auf dem Schirm haben sollte.
1. Dynamische Mikrofone – der Klassiker vorm Gitarrenamp
Dynamische Mikrofone sind die erste Wahl für den beinharten Touralltag. Sie sind besonders robust und haben keine Probleme mit hohen Schallpegeln – also die ideale Lösung für die Bühne. Die Aufnahme erfolgt gerichtet, meist mit Nieren- oder Supernierencharakteristik, sodass Übersprechungen von anderen Instrumenten kein allzu großes Problem darstellen.

Andere Arten von Mikros mögen den Klang detailreicher abbilden, bringen aber im Livekontext andere Probleme mit sich. Deswegen werdet ihr auf der Bühne meist ein dynamisches Mikro entdecken. Der Klang ist direkt, mit leichter Betonung in den hohen Mitten, was dem E-Gitarrensound in der Regel ziemlich gut steht.
Auch im Studio werden dynamische Mikros sehr häufig benutzt. Sie sind leicht vor der Box zu platzieren und der Sweet Spot ist schnell gefunden. Durch die Betonung der Mitten und einen recht schmalen Bassbereich sitzen die Gitarrenspuren direkt gut im Mix.
Neben dem Klassiker Shure SM57 solltet ihr unbedingt mal das Sennheiser E 906 Mikro auschecken. Durch seine besondere Form kann man dieses Mikro einfach am Kabel vor dem Amp hängen – man braucht also nicht zwingend einen Mikroständer mitzuschleppen. Nebenbei klingt es auch noch sehr gut. Ein bisschen wie das SM57, aber etwas zahmer in den Mitten.
Ein weiterer Klassiker ist das Sennheiser MD 421. Durch die besonders starke Anhebung in den hohen Mitten eignet es sich besonders gut bei dumpferen Verstärkern oder wenn eine Gitarre sehr stark hervorstechen soll.
2. Großmembran-Kondensator – der Studio-Allrounder
Wer Aufnahmen macht, kommt um ein Großmembran-Kondensatormikrofon nicht drum herum. Die hohe Detailtreue sowie der große Frequenzgang eignen sich hervorragend, um Instrumente möglichst realistisch und detailreich aufzunehmen. Eine leichte Frequenzanhebung in den Höhen lässt die Aufnahmen sehr edel wirken.

Viele Kondensatormikros haben die Möglichkeit, die Richtcharakteristik anzupassen. Mit einer Achter- oder Kugelcharakteristik nimmt das Mikro auch den Aufnahmeraum mit auf. Gerade für Akustikgitarre kann das sehr gut klingen. Häufig nutzt man für Akustikgitarre sogar zwei Mikros, um in Stereo aufnehmen zu können.
Auch am Gitarrenverstärker können Großmembraner eine gute Wahl sein, allerdings sollte man hier auf den Schallpegel achten – zu laut mögen diese Mikros es nicht. Im Vergleich zu dynamischen Mikros klingen sie neutraler und linearer, sie zeichnen detailgetreuer auf und verfügen über einen größeren Frequenzgang.
Gerade in Arrangements, in denen viel Platz ist und die Gitarre im Vordergrund stehen soll, kann das eine gute Wahl sein. Auch um den Raumsound des Verstärkers aufzunehmen, eignet sich ein Großmembrankondensatormikrofon hervorragend. Live sieht man diese Art von Mikros dagegen eher selten, da sie schnell zu Rückkopplung neigen.
Der Klassiker im Studio ist das Neumann U87. Wer etwas weniger ausgeben möchte, dem sei das Aston Spirit empfohlen. Dieses Mikro klingt hervorragend und liefert verschiedene Richtcharakteristika.
3. Kleinmembran-Kondensator – der Akustik-Spezialist
Kommen wir zum Kleinmembran-Kondensatormikro. Häufig als Paar anzutreffen, sind diese Mikros die erste Wahl für Akustikgitarren. Die kleinere Membran liefert eine schnelle Ansprache und einen sehr direkten Sound.

Als Stereo-Paar können sie unterschiedlich positioniert werden. Die Klassiker sind die AB- oder die XY-Mikrofonierung. Hierzu werden die Mikros auf einer Stereoschiene befestigt. Beim AB-Verfahren stehen die Mikros parallel zueinander. In der Regel wird das linke Mikro auf den 12. Bund einer Akustikgitarre ausgerichtet, das rechte zeigt auf den Korpus. Beim XY-Verfahren werden die Mikros jeweils um ca. 45 Grad nach innen gedreht, sodass es zu größeren Übersprechungen zwischen den Mikros kommt.
Eine etwas ausgefallene, aber sehr effektive Art, Akustikgitarre aufzunehmen, ist das vertikale AB. Hier zeigen beide Mikros auf den 12. Bund, eines von oben, das andere von unten.
Auch im Bereich Kleinmembrankondensatormikros ist Neumann der Standard. Die Neumann KM 183 Mikros findet man wahrscheinlich in jedem Studio auf der Welt. Eine günstige Alternative dazu sind die Lewitt LC140 Air Mikrofone. Hier bekommt man tolle Sounds für wenig Geld.
4. Bändchen – die dumpfe Diva
Bändchenmikros sind die Charakterschweine unter den Mikrofonen. Sie mögen keine hohen Schallpegel, nehmen in der Regel immer mit einer Achter-Charakteristik (also nach vorne und hinten) auf, haben einen dicken Bassbereich und wenig Höhen. Zudem brauchen sie reichlich Power in der Vorverstärkung. Was erstmal total unbrauchbar klingt, macht aber einfach Spaß. Der Sound dieser Mikros ist charakterstark, weich und versprüht einen Vintage-Charme.

In Kombination mit einem Kleinmembran-Condenser eignen sich Bändchen hervorragend, um räumliche Akustikgitarren aufzunehmen. Auch als Raummikro macht es eine gute Figur für nahezu alles (z. B. Drums, Percussion, Flügel, Akustikgitarre und mehr).
Vor dem Gitarrenverstärker wird ein Bändchen häufig als Zweitmikro benutzt. Es kann, wenn gewünscht, den Bassbereich eines dynamischen Mikros ergänzen und durch die tieferen Mitten noch einmal eine etwas andere Gewichtung der Frequenzen bieten. Für jazzige Sounds funktioniert ein Bändchen auch prima als Hauptmikro. Aber Achtung: hohe Schallpegel mögen diese Mikros gar nicht.
Auf der Bühne sind Bändchen nur sehr selten zu sehen. Zum einen sind sie für die Strapazen des Touralltags nicht gemacht, zum anderen ist eine Achtercharakteristik im Livealltag nicht zu gebrauchen.
Eine Ausnahme bietet hier das Beyerdynamic M160. Mit seiner Supernierencharakteristik funktioniert dieses Mikro auch gut vor dem Gitarrenamp, allerdings sollte dieser auch da nicht zu laut sein.
Im Studio trifft man häufig auf die Royer R121 oder Coles 4038 Mikros. Eine günstige Alternative ist zum Beispiel das Golden Age Audio R1 Active MK3. Neben einem authentischen Klang verfügt es über einen aktiven Preamp, der das Signal entsprechend vorverstärkt.
Fazit:
Die Welt der Mikros ist vielfältig, es gibt Allrounder und Spezialisten, und für jeden Einsatzzweck gibt es ein passendes Mic. Im E-Gitarrenbereich ist ein dynamisches Mikro Pflicht, wer Akustikgitarre spielt, sollte über die Anschaffung eines Kondensatormikros nachdenken. Und an einem Bändchenmikro wird generell jeder Spaß finden.