Metal Essentials: Spieltechniken für harte Genres
Willkommen in der Welt des Metals – hier tickt die Uhr nicht im Takt, sondern im Downbeat. Die Klanglandschaft wird beherrscht von brutalen Riffs, blitzschnellen Soli und monströsen High-Gain-Sounds. Es ist sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne nichts für Zartbesaitete. Mit einem hauchdünnen 09–42-Saitensatz kommst du hier nicht weit. Wir zeigen dir die Metal Essentials für einen brutalen Sound!
Tief gestimmt ist halb gewonnen
Bevor du überhaupt den ersten Ton spielst, gibt’s eine goldene Regel: Tuning ist (un)heilig! Runter mit der Stimmung – und wenn du denkst, du bist tief genug, geh noch ’ne Etage in den Keller. Drop-Tunings sind nicht nur ein aktueller Trend, sondern auch die Eingangstür zu dem groovigen Untergrund der Gitarrenmusik.
1. Palm Muting –mit dem Handballen in die Stratosphäre
Wer schon mal versucht hat, Metallicas Enter Sandman ohne Palm Muting zu spielen, hat sofort begriffen, wie essenziell diese Technik für Rock, Metal und alle zehntausend Subgenres, die darunter fallen, ist. Man gebe mir eine auf Drop-„wasauchimmer“ gestimmte E-Gitarre, angeschlossen an einen High-Gain-Verstärker, und ich kann mit dem Abdämpfen der tiefsten Note wochenlang Spaß haben. Unzählige legendäre Songs und Riffs werden gerade dank des druckvollen Charakters des Palm Mutings zu den donnernden Brettern, die uns die Socken ausziehen.
Die brutalsten Breakdowns im Deathcore, die rasantesten Galopps im Thrash Metal und auch die abwechslungsreichen Phrasierungen von Griffbrettvirtuosen haben alle eins gemeinsam: Die Spieler bedienen sich dieser Technik immer dann, wenn’s ordentlich drücken soll.
Praktische Umsetzung
Palm Mutes klingen, als hätte sie uns der Fürst der Finsternis höchstpersönlich in die Hand gedrückt – doch das Beste daran ist: Du musst nicht deine Seele verkaufen, um sie zu erlernen. Diese Technik ist gleichermaßen einfach und effektiv. Du dämpfst die Saiten mit dem Handballen deiner Schlaghand ab – und zauberst so diese knochentrockenen, punchigen Töne, die in jedem Metal Riff zu Hause sind.
Mit einer cleanen Gitarre kann man mit dem Abdämpfen seinem Spiel ganz neue Artikulation verleihen. Aber der Spaß geht richtig los, sobald die Verzerrung an ist. Die von einem schwedischen YouTuber geprägte Lautmalerei „Chug“ ist eine der treffendsten Beschreibungen dessen, was bei einem Palm-Muting-Riff auf unser Trommelfell einprügelt. Mit etwas Präzision und Feinmotorik in der Schlaghand können wir auch den Klangcharakter drastisch beeinflussen.

Tipp: Willst du mehr Druck und Bass? Dann platziere deine Hand näher am Steg. Darf’s etwas mehr Staccato-Effekt sein? Dafür musst du nur etwas näher an den Pickup rutschen. Ganz wichtig: Nicht zimperlich sein! Ein kraftvoller Sound bedarf eines kräftigen Anschlags.
Ob als Spannungsaufbau oder für das durchgehende „Brett“ – mit dem Palm Muting hast du einen Equalizer in deiner rechten Hand!
2. Pinch Harmonics – der Schrei aus der Hölle
Jetzt wird’s dreckig. Oder besser gesagt: brillant schmutzig. Die Metalhymne mit den wohl meisten Pinch Harmonics hintereinander ist von Pantera und trägt den Titel Cemetery Gates. Als mein 14-jähriges Ich diese sägende, rohe Gewalt zu hören bekam, war’s um mich geschehen! Mit Pinch Harmonics bringst du deine Gitarre gezielt zum Kreischen und verpasst jedem im Raum eine Gänsehaut. Ähnlich wie beim Palm Muting kannst du diese Technik sowohl beim Rhythmus- als auch beim Solospiel verwenden.
Praktische Umsetzung
Du schlägst die Saite in einer Abwärtsbewegung mit dem Pick an und berührst sie unmittelbar danach leicht mit dem Daumen – und zwar genau an der richtigen Stelle. Hier ist etwas Fingerspitzengefühl gefragt, denn die Saite soll nicht komplett abgedämpft werden, sondern noch weiter schwingen können. Die leichte Berührung der Saite mit dem Daumen erzeugt diesen quietschenden Höllenton, der alle Hunde in der Nachbarschaft aufheulen lässt. Am Anfang kannst du die beiden Schritte nacheinander ausführen, aber das Ziel sollte sein, die Pinch Harmonics ohne hörbare Verzögerung zu erzeugen.
Bei Pinch Harmonics führt am Intensiven kein Weg am Üben vorbei. Sobald man diese etwas spezielle Daumenbewegung so weit verinnerlicht hat, dass man sie im Song ohne zwei Takte Vorbereitungszeit ausführen kann, kommt die nächste Hürde: Du musst für jede Saite und jeden Bund den richtigen Sweetspot finden und ihn dir gut einprägen. Treffsicherheit ist das höchste Gebot! Glaub mir, es gibt kaum einen größeren gitarristischen Antiklimax als einen verfehlten Pinch Harmonic. Aus einem Höllenhund von einem Riff wird in Sekundenbruchteilen ein kläffender Dackel.
Tipp: Vibrato drauf für noch mehr Ausdruck. Abhängig vom Songkontext kann sowohl ein langsames, weites Bending als auch ein irres Auf-und-Ab sehr dienlich sein. Hauptsache, du bist nicht zimperlich. Beim Thema Pinch Harmonics kann es nicht zu viel Vibrato geben. Zieh an der Saite, als würdest du versuchen, sie zum Reißen zu bringen!
3. String Skipping – die Sprungfeder im Riff
Weg mit dem Linearen, rein ins Gespringe! Beim String Skipping lässt du gezielt Saiten aus und erzeugst dadurch weite Intervallsprünge, die dein Riff modern und luftig klingen lassen. Besonders in tiefen Tunings bekommst du so fette Oktavsounds mit Höhen-Pepp.
Praktische Umsetzung (mit Beispiel im Drop-D-Tuning)
- Spiel auf der tiefen D-Saite:
[---5-0-5-8-]
- Spring direkt zur hohen D:
[---5-8-5---]
- Und wieder zurück zur tiefen D-Saite:
[-8-5-0-5-8-]
- Lass die A-Saite dazwischen einfach links liegen.
Das bringt Struktur, Dynamik und macht dein Spiel abwechslungsreicher. Dieses simple Beispiel klingt mit genug Zerre und Tempo schon ziemlich stark. Bettest du das String Skipping in ein interessantes Riff ein, verpasst du deinem Song sofort einen modernen Anstrich. Parallel steigerst du auch deinen Spielspaß.
Tipp: Wenn du mit den Oktavsprüngen der Akkordfolge deines Songs folgst und es auch noch schaffst, weitere Techniken einzubauen, hebst du dein Spiel und dein Writing direkt auf’s übernächste Level!
4. Pick Scrapes – der akustische Elektroschock
Pick Scrapes sind wie das Kratzen von Freddy Kruegers Krallen an deiner Tür – bedrohlich, roh, unaufhaltsam. Schon seit Jahrzehnten im Live-Arsenal von Thrash-Legende James Hetfield und vielen anderen. Anfangs vereinzelt, als Nachfolger der kleinen Sekunde, eine gepfefferte Dissonanz im Breakdown. Inzwischen auf so gut wie jeder modernen Metal-Platte zu hören. Dieser Soundeffekt verbreitete sich in der Core-Szene wie ein virales Video.
Praktische Umsetzung
Diese Technik ist ebenso simpel zu erlernen wie unsere Nr. 1, das Palm Muting. Du ziehst dein Plektrum von unten nach oben über die Saiten, während du mit der Greifhand leichte Harmonics erzeugst. Der Finger der Greifhand kann, wie bei natürlichen Harmonics, einfach nur leicht auf die Saite gelegt werden. Ring- oder Mittelfinger greifen an, der Zeigefinger bleibt frei für die darauffolgenden Noten. Besonders zwischen drittem und viertem Bund findest du diese herrlich-hässlichen, süß-kratzigen Stellen, die den Klang aufbrechen wie Sand im Getriebe – im besten Sinne.
Tipp: Greif nicht zu fest – es geht nicht um Druck, sondern um Kontakt. Die Saite muss nicht bis zum Griffbrett durchgedrückt werden.
Timing ist alles – landest du nicht auf der Eins, klingt’s wie ein Unfall.
5. Tapping – Griffbrettolymp zum Greifen nah
Und nun mache ich dich zum Gitarrenvirtuosen!
Tapping ist deine Eintrittskarte in die Oberliga. Eddie Van Halen hat mit seinem Eruption-Solo völlig neue Maßstäbe des Shreddings gesetzt. Die Gitarristen, die dieses Solo seinerzeit nur gehört haben und nicht zu sehen bekamen, wie es gespielt wird, kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Was macht er da?
Wie kann er solch große Intervallsprünge in diesem Tempo spielen?
Wieso höre ich keinen Pick-Attack?
Fragten sie sich allesamt – und sobald man ihn auf der Bühne oder später auf MTV gesehen hat, kam der große Aha-Moment: ein Mix aus Hammer-ons, Pull-offs und einem gut getimten Griff deiner rechten Hand auf dem Griffbrett – das Ganze ohne Plektrum.
Praktische Umsetzung
Linke Hand spielt normal Hammer-ons und Pull-offs. Die rechte Hand (z. B. mit dem Mittelfinger) haut einen zusätzlichen Ton rein. Schnell getappt klingt’s fast wie ein Keyboardläufer – nur metallischer. Je mehr du damit spielst, desto flüssiger wird’s. Du kannst sogar komplett ohne Pick loslegen und wie ein Tapping-Gott mit acht Fingern durch die Tonleiter wirbeln. Achtung: Tosin-Abasi-Level erfordert viel Kaffee und Geduld.
Tipp: Versuche, verschiedene Figuren in einen Tapping-Lauf oder auch einzelne Tapping-Licks mitten in deine Riffs unterzubringen. Es ist wie Gehirnjogging auf dem Griffbrett.
Deine Metal-Werkzeugkiste ist jetzt bereit
Du hast jetzt fünf Techniken an der Hand (oder besser: an beiden Händen), die dich von einem braven Gitarren-Anfänger zu einem echten Heavy Riffer machen. Wie immer beim Üben gilt auch hier der Grundsatz: langsam einsteigen, mit Metronom üben und das Tempo schrittweise steigern. Wer hier Abkürzungen nimmt, landet öfter auf der Nase als auf dem richtigen Ton.
Um diese Techniken besser zu veranschaulichen, habe auch ich ein kurzes Tutorial-Video gedreht. Den Link findest du hier:
Also ran an den Speck! Stimm die Gitarre runter, dreh den Verstärker auf elf und lass es krachen.