Kaum ein Effekt ist so vielseitig und auf so vielen Pedalboards zuhause wie der Overdrive. Man könnte ihn auch das Schweizer Taschenmesser unter den Zerrern nennen: ob als reiner Treble Boost, zum Anpusten einer zahmen Vorstufe oder als Low-Gain Distortion finden Drive-Pedale vielfältige Anwendungsbereiche über alle Genres hinweg.
Von subtil bis dreckig, von Blues, über Rock oder Metal – das richtige Drive-Pedal verleiht dem Gitarrensound Wärme, Durchsetzungskraft und einen musikalischen Crunch. Doch bei der Vielzahl an erhältlichen Pedalen kann die Auswahl schnell unübersichtlich werden. Wir stellen dir hier daher fünf Overdrive-Pedale von legendären Klassikern bis zu modernen Alleskönnern vor, die sich über Jahre hinweg in der Praxis bewährt haben und zu den beliebtesten OD-Schaltkreisen zählen.
Overdrive-Pedale für E-Gitarre – Unsere Top Picks
1. Ibanez Tube Screamer TS808 / TS9

Der Ibanez Tube Screamer dürfte so ziemlich das erste Pedal sein, dass jeder Gitarrist im Kopf hat, wenn er das Wort Overdrive hört. Der knallgrüne Treter ist der Inbegriff des Overdrives und ein echter Klassiker, der seit den 1980er-Jahren Gitarrensounds geprägt hat. Ob Stevie Ray Vaughan (er spielte sogar zwei hintereinander) oder John Mayer – viele Gitarristen schwören auf den typischen „Mid-Hump“, der sich besonders gut in einem Band-Mix durchsetzt.
Mit seinem asymmetrischen Soft-Clipping eignet sich das Pedal hervorragend als Booster für Solo-Sounds oder als „Tightener“ vor verzerrten Amps. Daher wird er gerne von Metal-Gitarristen verwendet, um High-Gain-Amps den letzten Kick zu verleihen. Obwohl es über die Jahre hinweg viele verschiedene Ausführungen gab, konnten sich zwei Modelle absoluten Legendenstatus erkämpfen: Der TS808 und der TS9. Beide unterscheiden sich klanglich nur leicht – der TS808 gilt als etwas smoother, der TS9 als einen Tick aggressiver.
- Extrem durchsetzungsfähig im Mix
- Klassiker mit Kultstatus
- Sound: Mid-Hump Crunch, klarer Bass, warmer Charakter
- Einfaches Bedienkonzept
- Ideal für: Blues, Rock, als Boost vor High-Gain-Amps
- Preis: Ibanez TS9 ca. 130 €, Ibanez TS808 ca. 180 €
2. Fulltone OCD V2

Der große Gegenspieler zum Tube Screamer ist das Fulltone OCD (Obsessive Compulsive Drive), das nicht ohne Grund zu den beliebtesten Boutique-Pedalen überhaupt gehört. Dabei ist das Pedal aus der Feder von Mike Fuller mit seinem asymmetrischen Hard-Clipping-Circuit eigentlich das genaue Gegenteil des TS. Das OCD liefert einen satten, offenen Overdrive, der stark auf das Spielgefühl und die Dynamik des Gitarristen reagiert. Das Pedal arbeitet transparent, färbt den Grundsound kaum und lässt sich daher sehr vielseitig einsetzen. Eine Besonderheit des OCD ist der High Peak/Low Peak Switch, der Einfluss auf die Ansprache des Drive-Reglers nimmt und dem Pedal einen wahlweise milderen oder aggressiveren Charakter verleiht.
Das OCD in Version 2 bietet u. a. ein verbessertes Buffering und mehr Gain-Range. Egal ob auf einem Clean- oder bereits angezerrten Amp – der OCD klingt stets musikalisch und natürlich.
- Sehr dynamisch & sensibel
- Mildes Overdrive oder aggressiverer Charakter dank HP/LP Switch
- Sound: Offener, dynamischer Overdrive mit Amp-ähnlichem Charakter
- Ideal für: Classic Rock, Indie, Blues, Alternative
- Preis: ca. 180 €
3. Boss SD-1 Super OverDrive

Das Boss SD-1 ist ein echter Dauerbrenner – nicht zuletzt wegen seines attraktiven Preises. Die Legende besagt, dass sich Maxon in den späten Siebzigern den Schaltkreis des legendären Boss OD-1 abschaute und ihm einen Tone-Regler hinzufügte. Daraufhin übernahm Boss wiederum die praktische Modifikation vom TS und brachte sie 1981 mit asymmetrischem Clipping-Circuit als SD-1 Super OverDrive auf den Markt. Klanglich ist es dem Tube Screamer also ähnlich, wirkt aber etwas offener im Bassbereich und bringt mehr Schärfe in den Höhen mit. Besonders beliebt ist das SD-1 im Bereich des Metal- und Hardrock als Boost vor einem High-Gain-Amp.
Dank des klassischen Boss-Formfaktors, der unkaputtbaren Bauweise und der einfachen Bedienung ist es auch ein ideales Einsteigerpedal mit Profiqualitäten.
- Overdrive-Klassiker von Boss
- Preis-Leistung unschlagbar
- Sound: Klarer, fokussierter Overdrive mit leichtem Mitten-Boost
- Ideal für: Classic Rock, Indie, Blues, Alternative und als Booster vor High-Gain-Amps
- Preis: ca. 69 €
4. Klon Centaur / Klon KTR

Der sagenumwobene Klon Centaur ist ein wahrer Mythos unter den Overdrives. Ursprünglich von Pedaltüftler Bill Finnegan in den Neunzigern entwickelt, unterschied sich der Schaltkreis des Centaur von allen bisherigen Overdrives und zeugte von Bills außerordentlichem Erfindungsreichtum. Zur Legendenbildung des Pedals trugen sein einzigartig dynamischer Sound, eine lediglich geringe Stückzahl produzierter Einheiten in verschiedenen Ausführungen und das Eingießen der Platine in Epoxidharz, um Nachahmer abzuschrecken. Das Original ist daher kaum noch bezahlbar und wird teils zu Preisen jenseits der 5000 Euro gehandelt. Doch mit dem Klon KTR (offizieller Nachbau von Bill Finnegan) oder hochwertigen Clones wie dem J. Rockett Archer oder dem Behringer Centara kann man diesen legendären Sound realistisch erleben, ohne sich auf dem Gebrauchtmarkt in Unkosten stürzen zu müssen.
Der Klon ist kein typischer Mid-Hump-Overdrive, sondern arbeitet transparent und wirkt fast wie eine Verlängerung des Verstärkers. Ob als Clean Boost oder leicht angezerrter Sound – der Klon glänzt stets durch Musikalität und Vielseitigkeit.
- Legendärer Ruf & Sound
- Sound: Transparent, harmonisch, natürlicher Boost
- Funktioniert in nahezu jeder Kette
- Preis Original: mehrere Tausend Euro gebraucht
- Preis: Klon KTR ca. 499 €, Behringer Centara ca. 69 €
5. Analogman King of Tone (KoT)

Ähnlich wie der Klon Ceantaur ist der King of Tone eines der begehrtesten Boutique-Pedale auf dem Markt. Das Dual-Layout erlaubt zwei unabhängig konfigurierbare Overdrives, die wahlweise als Boost, Drive oder Distortion eingesetzt werden können. Der Sound ist warm, natürlich und sehr responsiv, ohne den Ton zu färben. Wegen der hohen Nachfrage und der geringen Produktionszahlen muss man oft jahrelang auf das Pedal warten. Gebraucht ist es natürlich entsprechend teuer. Wer nicht so lange warten möchte, kann glücklicherweise auf ähnliche Alternativen zurückgreifen. Pedale wie der JHS Sweet Tea oder der Wampler Dual Fusion, aber auch der MXR Duke of Tone, der einen Schaltkreis des Pedals abbildet, sind dem Pedal nachempfunden und bringen vergleichbare Sounds aufs Board.
- Zwei Kanäle, extrem flexibel
- Sehr natürliches Klangverhalten
- Sound: Vielseitiger Dual-Overdrive mit natürlicher Ansprache
- Ideal für: Blues, Indie, Classic Rock, Worship
- Preis Original: Warteliste oder gebraucht > 500 €
- Alternativen: MXR Duke of Tone für ca. 160 €
Fazit: Der richtige Overdrive für deinen Sound
Welcher Overdrive zu dir passt, hängt also stark von deinem Stil, deinem Amp und deinem gewünschten Einsatz sowie deinem geplanten Budget ab. Einsteigern mit knappem Budget lässt sich das Boss SD-1 uneingeschränkt empfehlen. Wer mehr auf Vintage-Vibes und den durch den Bandmix schneidenden „Mitten-Nöck“ steht, wird mit einer Ausführung des Ibanez Tube Screamers bestens beraten sein. Zu guter Letzt ist jeder Gitarristin und jedem Gitarristen ein Fulltone OCD oder King of Tone geraten, wer auf transparente Boutique-Drives steht, deren dynamischer Sound im Vordergrund stehen soll.
Overdrive-Pedale klingen je nach Gitarre, Amp und anderem verwendetem Equipment sehr unterschiedlich – der tatsächliche Sound entsteht oft erst im Zusammenspiel der einzelnen Komponenten in der Signalkette. Daher lautet wie bei jedem Pedal die beste Empfehlung: Anspielen und ausprobieren!