Fünf Billy Talent-Riffs mit Tabs: Synkopen und rhythmische Riffs auf der E-Gitarre
Billy Talent ist eine Alternative-Rock-Band aus Kanada, die mit Songs wie Red Flag, Devil in a Midnight Mass, Fallen Leaves oder Surrender internationale Erfolge feierte und mit vier Nummer-1-Alben in den deutschen Charts landete. Ihr Stil ist vielseitig und einzigartig, lässt sich aber am ehesten mit einer Kombination aus Punkrock, Emo und Pop-Punk beschreiben, während vereinzelnd Post-Hardcore-Elemente ebenso eine Rolle in ihren Songs spielen.
In meinen Anfangsjahren auf der E-Gitarre war ihr energischer, zugleich präziser Stil ein echtes Aha-Erlebnis für mich: schroffe Drop-D-Powerchords, eingängige Melodien, aber vor allem dieser rhythmische „Biss“, den Ian D’Sa, den Gitarristen von Billy Talent, auszeichnet. Sein Spiel ist geprägt von harten Anschlägen, klug gesetzten Pausen, synkopierten Rhythmen und einer Mischung aus Powerchords und hohen Einzeltönen, die als kleine Melodien im Akkordgefüge aufblitzen.
Was zeichnet Billy Talent und insbesondere Gitarrist Ian D’Sa aus?

Mich persönlich hat Billy Talent musikalisch entscheidend geprägt. Ihre Songs haben mir nicht nur beigebracht, präzise und tight zu spielen, sondern auch, wie viel musikalische Tiefe in rhythmischer Arbeit steckt.
Ian D’Sa öffnete mir mit seinem Spiel den Weg in Drop-Tunings, da er grundsätzlich in Drop D und vereinzelt in Drop C♯ spielt, brachte mir Geduld bei komplexen Riffs bei und erweiterte mein Verständnis für Songwriting und musikalische Strukturen auf der E-Gitarre.
Ein besonderer Aspekt, der sich durch fast die gesamte Diskografie zieht, ist D’Sa’s Vorliebe für synkopische Spielweisen – also Riffs, deren Betonungen zwischen den Zählzeiten liegen. Diese rhythmische Verschiebung sorgt für Spannung und einen „vorwärtsdrängenden“ Groove, der sich sofort einprägt.
In den folgenden fünf Songs zeigt sich diese Technik in unterschiedlichen Facetten: Von aggressiven Punkrock-Riffs bis hin zu melodischen Rock-Hymnen ist alles dabei. Wer bisher noch keine Berührungspunkte mit Billy Talent oder mit Drop-Tunings hatte, bekommt hier fünf Riffs mit Tabs zum Üben!
River Below (Billy Talent I, 2003)
Tuning: Drop D (D A D G H E)
River Below vom Debütalbum Billy Talent I ist eines der bekanntesten Beispiele für D’Sa’s synkopischen Stil. Das Tempo ist vergleichsweise moderat, wodurch der Fokus ganz auf der rhythmischen Verzahnung zwischen Powerchords und Single Notes liegt.
Das Riff basiert auf einem Wechsel zwischen tiefen Drop-D-Powerchords und hohen Einzeltönen, die sich auf den oberen Saiten abspielen. Besonders markant ist die Kombination aus sechzehntelartigen Anschlägen auf der tiefen D-Saite und kurzen, melodischen Einwürfen im oberen Register. Um die hohen Töne zu erreichen, bietet sich der kleine Finger an, während der Zeigefinger auf dem fünften Bund liegen bleibt und den Grundton beziehungsweise Grundakkord hält. Dies ist gerade für Anfängerinnen und Anfänger eine Herausforderung in Sachen Timing und Präzision, bewährt sich aber definitiv für die Technik!
Im zweiten Teil des Riffs geht es die D-Moll-Tonleiter hinunter, während das offene Drop-D als Bordunton weiterläuft. Dadurch entsteht ein rhythmisch dichtes, aber melodisch nachvollziehbares Motiv. Dieses Riff zeigt, wie Rhythmus und Melodie gleichzeitig auf der E-Gitarre kombiniert werden können, anstatt sie als getrennte Elemente zu betrachten.
This Suffering (Billy Talent II, 2006)
Tuning: Drop D (D A D G H E)
Auch fast zwei Jahrzehnte nach seiner Veröffentlichung ist This Suffering ein fester Bestandteil im Live-Set von Billy Talent. Der Song wirkt auf den ersten Blick wie eine rockige Midtempo-Nummer, doch das Hauptriff ist rhythmisch höchst anspruchsvoll.
Wie bei River Below basiert das Riff auf einem Wechsel zwischen Powerchords und Single Notes, allerdings mit umgekehrtem Aufbau: Es beginnt mit einer hohen Note und nicht mit dem Powerchord. Im dritten Takt taucht erneut das bekannte G-Moll-Riff-Motiv (3. Takt, 5. Bund) auf, das Ian D’Sa in unterschiedlichen Songs immer wieder aufgreift. Die hohen Töne wechseln in schnellem Tempo, während die Powerchords als rhythmisches Fundament dienen. Die größte Schwierigkeit liegt darin, die Akzente in den hohen Registern exakt zu treffen und den fließenden Wechsel zwischen hohen und tiefen Noten sauber umzusetzen. Auch wenn das Riff anfangs höchstwahrscheinlich unsauber klingen wird, ist This Suffering einer jener Songs, die erst dann wirklich funktionieren, wenn man sie mit dem richtigen rhythmischen Gefühl spielt.
Where Is the Line? – Solo (Billy Talent II, 2006)
Tuning: Drop D (D A D G H E)
Where Is the Line? vom zweiten Album Billy Talent II kombiniert melancholische Strophen mit einem wuchtigen Refrain und erreicht im Solo (Timecode: Minute 02:15) seinen Höhepunkt. Im Solo kehrt das synkopische G-Moll-Muster (3. Takt, 5. Bund) zurück, das schon in River Below und This Suffering eine zentrale Rolle spielt. Allerdings arbeitet D’Sa hier mit mehr Akkordwechseln, Slides und dynamischen Variationen. Die hohen Single Notes werden anfangs geslidet, was dem Spiel einen vokalen Charakter verleiht, bevor er in die Powerchord-Abschnitte mit harten rhythmischen Cuts übergeht.
Klanglich fällt auf, dass Ian D’Sa hier einen aggressiven Fuzz-Sound nutzt, der den Akkorden Fülle verleiht, während die Einzeltöne kantig hervorstechen. Das Solo ist damit ein Paradebeispiel dafür, wie rhythmische Verschiebungen auch innerhalb einer Lead-Passage Spannung erzeugen können. Aber auch hier gilt: Ein sauberer Ablauf ist besonders durch den starken Fuzz-Effekt obligatorisch – jede unsaubere Note kann hier schnell unangenehm hervortreten!
Diamond on a Landmine (Billy Talent III, 2006)
Tuning: Drop D (D A D G H E)

Mit Billy Talent III (2009) lieferte die Band ein Album, das sich besonders durch seine düsteren Lyrics und melancholischen Riffs auszeichnet. Diamond on a Landmine ist ein Musterbeispiel für diesen neuen, atmosphärischen Ansatz mit Pop-Elementen, während Ian D’Sa seiner rhythmischen Handschrift treu bleibt.
Das Riff ist weicher und fließender als in den frühen Songs der ersten Alben, doch die synkopische Struktur bleibt erhalten. Statt harter rhythmischer Cuts gleitet D’Sa hier zwischen hohen Einzeltönen und tiefen Basstönen hin und her. Die Übergänge sind fast nahtlos und die Noten fließen quasi ineinander, sodass die harmonische Struktur schnell erkennbar wird.
Das macht den Song rhythmisch lebendig und bietet einen greifbaren Flow. Der Groove entsteht nicht durch Betonungen auf den Zählzeiten, sondern durch das Spiel zwischen ihnen, während die tiefen Grundtöne ausklingen. Diese Technik sorgt dafür, dass Diamond on a Landmine trotz seiner melancholischen Grundstimmung eine treibende Energie besitzt.
Ghost Ship of Cannibal Rats (Billy Talent III, 2006)
Tuning: Drop C♯ (C♯ G♯ C♯ F♯ A♯ D♯)
Mit Afraid of Heights schlugen Billy Talent 2016 neue Wege ein. Der Sound wurde moderner, cleaner und insgesamt weniger aggressiv. In Ghost Ship of Cannibal Rats kehrt Ian D’Sa jedoch stilistisch zu den Wurzeln zurück. Der Song beginnt mit einem versetzten Gitarrenmotiv, das sofort an die frühen Werke wie River Below erinnert. Auch hier spielt D’Sa mit Powerchords und hohen Single Notes im Wechsel auf dem Offbeat, wodurch das Riff treibend, aber kontrolliert wirkt. Obwohl der Gain-Anteil geringer ist als in früheren Songs, bleibt das Spiel hochenergetisch.
Gerade dieser reduzierte Zerrgrad zeigt, wie stark Ian D’Sa’s Stil auf rhythmischer Kontrolle basiert, ohne auf viel Gain zu setzen. Das Riff lebt von seinem Groove, nicht von der Verzerrung. Umso wichtiger ist es, mit einem harten, aber kontrollierten Anschlag zu arbeiten.
Fazit
Ian D’Sa hat über die Jahre einen unverwechselbaren Stil entwickelt, der technische Präzision, rhythmische Komplexität und melodische Intelligenz miteinander verbindet. Seine synkopierten Riffs sind nicht nur rhythmische Spielereien, sondern bilden vor allem das das Herzstück des Billy-Talent-Sounds. Indem er Powerchords, Single Notes und rhythmische Akzente miteinander verbindet, schafft er Gitarrenparts, die gleichermaßen eingängig und anspruchsvoll sind. Auch, wenn diese Techniken anfangs etwas Geduld erfordern: wer sich mit diesen Songs auseinandersetzt, lernt vor allem, wie sehr Groove, Timing und Dynamik ein Stück prägen können!
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Fotocredits: Billy Talent, Dustin Rabin




