Digitale Schwergewichte im Vergleich
Ein Deutscher, ein Finne und ein Amerikaner gehen in eine Bar…
Es ist ein Treffen dreier Gitarrengiganten: Die Ruhrpott-Jungs von Kemper bringen mit dem Profiler Mk 2 die zweite Generation ihres digitalen Chamäleons, die Finnen von Neural DSP schicken mit dem Quad Cortex einen kompakten, hochgezüchteten Touchscreen-Boliden ins Rennen und aus den USA mischt Fender mit dem Tone Master Pro das Feld auf – jeder einzelne nicht nur mit einem großen Namen, sondern auch mit einer eigenen, cleveren Philosophie.
Die Profiling Gurus von Kemper haben in der Digitaltechnologie einen völlig neuen Maßstab gesetzt. Die „Software-Mad-Scientists“ von Neural DSP haben sich mit ihren Plugins gerade bei der Online Community ein besonderes Standing erarbeitet. Und Fender – nun gut, Fender war schon für Generationen von Gitarristen eine Institution, lange bevor das ganze Digital-Klimbim ein ernstzunehmendes Thema wurde.
Zeit für den Showdown!
Kemper Profiler 2 – Mystique der Ampwelt
Der Kemper Profiler hat die Welt vor über einem Jahrzehnt auf den Kopf gestellt, weil er schlicht das tat, was keiner für möglich hielt: den Sound echter Amps zu klonen und in einem Kasten zu konservieren. Der Profiler 2 knüpft daran an – moderner, schneller, mit schärferer Optik und vor allem mehr Power unter der Haube.
Das Herzstück bleibt das Profiling: Du stellst deinen Lieblingsamp auf, schickst ein paar Testsignale durch und der Kemper baut dir eine digitale Kopie, die kaum vom Original zu unterscheiden ist. In Version 2 klingt das Ganze noch eine Spur detailreicher, dynamischer und vor allem direkter. Die neue Hardware liefert außerdem schnellere Ladezeiten, und mehr Effekte. Man muss aber sagen, dass die Bedienoberfläche bei Kemper sich nach wie vor eher an„Techniker mit Leidenschaft“, richtet und für die Generation-Instagram einen, ich sag’s mal vorsichtig, „rustikalen Vibe“ sendet.
Pro
- sehr authentisches Profiling
- Kaltgeräteanschluss
Contra
- schwächelt bei externen Effekten
- Display & Menü gegenüber V1 kaum überarbeitet
Neural DSP Quad Cortex – das iPhone der Gitarristen
Das Quad Cortex sieht aus wie ein iPad im Pedalboard – und genauso fühlt es sich auch an. Touchscreen, übersichtliche Menüs, Drag-and-Drop für Effekte, Amp-Models und Routen: Hier ist alles state of the art.
Neural DSP setzt weniger auf Amp-Klone, sondern auf eine Bibliothek von detailreichen Modellen, mit welchen sie schon im VST-Format für Furore gesorgt haben. Die Möglichkeit, mit der Neural Capture-Technologie ebenfalls Sounds von Amps und Pedalen einzufangen, wird obendrein angeboten. Das Ergebnis: extrem flexible Klangvielfalt, von butterweichen Cleans über schmatzende High-Gain-Bretter bis hin zu synthetischen Experimenten.
Die Community ist riesig, das Teilen von Presets und Captures läuft wie bei einer Social-Media-Plattform. Für Spieler, die ständig Sounds tauschen, updaten und neu entdecken wollen, ist das ein Paradies. Und dank der Rechenpower klingt das Ganze nicht nur modern, sondern auch unglaublich direkt und organisch. Dank der gekonnten Mischung aus Modeling und Capturing verträgt das Quad Cortex auch externe Pedale erstaunlich gut – für diejenigen, denen die interne Library von tausenden Sounds nicht ausreicht 😉
Pro
- Modeling & Capturing kombiniert
- Modernes Design mit Touchscreen
Contra
- kein Kaltgeräteanschluss
- Fußschalter sehr eng nebeneinander
Fender Tone Master Pro – der Nutzerfreund mit Köpfchen
Fender hat mit den Tone Master Amps bereits gezeigt, dass sie digitale Emulation in Röhrenoptik beherrschen. Mit dem Tone Master Pro gehen sie zwar mit dem Release-Date nicht als Erster durch’s Ziel, dafür aber mit Style: ein Floorboard mit großem Touchdisplay, unzähligen Drehreglern mit LCD „Scribble Strips“, einer Armada an Ein- und Ausgängen und einer Philosophie, die irgendwo zwischen Vintage-Feeling und Digital-Komfort liegt.
Fender setzt auf eigene Emulationen klassischer Amps – natürlich inklusive aller legendären Fender & EVH Modelle. Aber auch Vox-, Marshall- und High-Gain-Sounds sind mit an Bord. Das Bedienkonzept ähnelt im Grundprinzip dem Quad Cortex, setzt aber optisch noch einen drauf: statt eigene Icons und Symbole, bekommen wir von Fender Grafiken, die jeder Gitarrist auf Anhieb wiedererkennt. Das „British 45“ Amp-Model ist schwarz-gold und der „Greenbox“ Overdrive hat das TS-klassische Grün und die obligatorischen drei Potis. Hier fühlt man sich sofort zuhause, selbst wenn man das digitale Universum bislang misstrauisch beäugt hat.
Der Tone Master Pro richtet sich an Spieler, die klassische Bedienung lieben, aber moderne Flexibilität brauchen. Vielleicht nicht ganz so extrem vielseitig wie Neural DSP, dafür extrem praxisnah. Vielleicht nicht ganz so klanglich authentisch wie Kemper, dafür aber extrem benutzerfreundlich.
Pro
- sehr intuitive Bedienoberfläche
- Kaltgeräteanschluss
Contra
- nicht ganz so leistungsstark wie die anderen beiden
- Fußschalter sehr eng nebeneinander
Klangwelten im Vergleich
Kemper Profiler 2: Klingt 1 zu 1 wie der abgenommene Amp– authentisch, tief, echt. Perfekt für Puristen.
Neural DSP Quad Cortex: Klingt wie eine riesige Studio-Bibliothek – vielseitig, modern, grenzenlos. Ein Sound-Universum.
Fender Tone Master Pro: Klingt wie Fender es immer getan hat – warm, griffig, charaktervoll – bringt genug Features mit für jede Bühne.
Fazit – welcher passt zu wem?
Kemper Profiler 2 ist für Traditionalisten mit Forscherdrang: Wer seine eigenen Amps verewigen will oder auf Studioqualität ohne Kompromisse steht, wird hier glücklich.
Neural DSP Quad Cortex ist für die Digital Natives: Touchscreen, Community, unendliche Soundvielfalt – das ist der kreative Spielplatz für Klang-Tüftler und Preset-Junkies.
Fender Tone Master Pro ist für die Praktiker: Wer einfach nur spielen, aufnehmen und auftreten will, ohne Handbuch zu wälzen, kommt hier am schnellsten an seinen Sound.
Am Ende ist es wie bei Gitarren oder Gitarristen selbst: Der eine schwört auf seine alte Tele, der andere braucht eine moderne Strandberg – und alle haben Recht. Ob Michael Schenker, Alexi Laiho oder Billy Gibbons der Favorit ist, muss jeder für sich entscheiden, aber keinem der Anderen kann man den Legendenstatus aberkennen. Die Wahl ist keine Frage von „besser oder schlechter“, sondern von Persönlichkeit.