Multieffekt ohne Amp Modeling – gibt’s das noch?
Wer gern mit Sounds experimentiert, aber keinen Effektzoo aus 17 Einzelpedalen pflegen will, landet schnell bei Multieffektpedalen. Für Gitarrist:innen sind Effekte, was Gewürze für Köche sind: Ohne sie schmeckt’s oft fad, aber zu viel davon – und Du hast plötzlich einen lebenden Organismus oder ein psychedelisches Klangcurry auf dem Board. Eine digitale Lösung mit voreingestellten Sounds und – zumindest zum Teil – fester Effektreihenfolge kann hier eine Menge Kopfschmerzen ersparen. Was Gitarrist:innen unter dem Begriff „Multieffektpedale“ verstehen, hat sich im Laufe der Zeit jedoch deutlich gewandelt.
Multieffektpedale – Definition im Wandel

Bevor Hersteller wie Kemper oder Neural DSP den klassischen Röhrenamp in die tiefsten Ecken der Schattenwelt verbannt haben, nahm man den Begriff „Multieffekt“ noch sehr wörtlich: Ein Pedal, das mehrere Gitarreneffekte in einem Gerät vereint – Reverb, Delay, Chorus, Flanger, Phaser, Wah, Pitch-Shifter, vielleicht auch ein Looper.
Im Grunde reichen schon zwei verschiedene Effekte in einem Gehäuse, um dem Wort „Multi“ gerecht zu werden. Meistens kriegen wir allerdings eine zwei- oder sogar dreistellige Effektanzahl um die Ohren gehauen. Die Kombinationsmöglichkeiten scheinen endlos – alles drin, aber eben kein Amp-Simulator, kein IR-Loader, keine Menüführung auf NASA-Niveau.
Die heutigen Alleskönner mit Amp- & Cab-Sim und unzähligen Anschlussmöglichkeiten werden unter Gitarrist:innen nach wie vor als Multieffektgeräte bezeichnet. Ich will hier aber keine Haare spalten – darum soll’s nicht gehen.
Nein, wir reden hier über Multieffektpedale in Reinform. Ein Pedal dieser Kategorie ist wie eine gute Beilage: Es hebt den Hauptgang (deinen Amp) geschmackvoll hervor – will ihn aber nicht ersetzen. Keine falsche Bescheidenheit, aber auch kein Größenwahn.
Für wen lohnen sich Multieffektpedale?
- Live-Spieler:innen, die flexible Setups brauchen
- Pedalboard-Minimalist:innen mit maximalem Klanganspruch
- Studio-Nerds, die Sounddesign betreiben wollen, ohne sich durch 20 Pedale zu schleifen
- Neugierige Effekt-Einsteiger:innen, die alles mal ausprobieren wollen – ohne direkt ihr Konto zu sprengen
Ein paar Stars aus dieser Effektliga
TC Electronic Plethora X5
Das Plethora X5 bietet fünf frei belegbare Effekt-Slots, auf denen du die hauseigenen TonePrint-Effekte beliebig kombinieren kannst. Die Bedienung? Intuitiv wie ein Toaster – nur eben mit Display. Du kannst bis zu 127 „Pedalboards“ (Presets) speichern – das nenne ich mal Soundvielfalt!
Per TonePrint-App lässt sich kabellos an den Sounds schrauben. Dazu gibt’s ein eingebautes Stimmgerät, einen FX-Loop (für externe Treter) und ein Noise Gate. MIDI In/Thru sowie Anschluss für ein Expression-Pedal gibt’s obendrauf – also alles, was das Gitarrist:innen-Herz begehrt.
Wer es etwas kompakter mag, kann sich den kleinen Bruder Plethora X3 anschauen: gleiche Effektalgorithmen, aber auf drei Slots komprimiert.
Mehr Infos zum TC Electronic Plethora X5
Line 6 HX Effects
Im Prinzip bekommst du hier die brillante Effektsektion des berühmten Helix-Systems – nur eben ohne Amp-Modelling. Über 100 Effekte in Studioqualität, bis zu neun gleichzeitig aktivierbar. MIDI, externe Pedale, alles geht.
Zugegeben: Die Bedienoberfläche wirkt auf den ersten Blick wie ein Raumschiff-Cockpit. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird mit traumhaften Klanglandschaften belohnt. Nach kurzer Einarbeitung zeigt sich: Die Menüführung ist durchdacht und live-tauglich – inklusive Touch-Fußschaltern und farbiger Beleuchtung fürs Auge. Besonders hervorzuheben: die Pitch-Shifting-Effekte. Das Tracking ist erstaunlich präzise, die Sounds einfach bombastisch.
Mehr Infos zum Line 6 HX Effects
Kompakte Multieffektpedale
Neben diesen „All-in-One-Box“-Lösungen findest du im Bereich der Multieffektpedale auch kleinere Bodentreter, die zwar ein reduziertes Portfolio bieten, sich klanglich aber nicht vor den Großen verstecken müssen.
Beispiel: HX ONE aus der Helix-Reihe von Line 6. Ebenfalls mit Helix-Algorithmen ausgestattet, allerdings nur mit einem gleichzeitig aktivierbaren Effekt. Perfekt für alle, die viele unterschiedliche Sounds für verschiedene Songs brauchen und Platz auf dem Board sparen möchten.
Multi-Modulations-Maschinen
Wer eine Vielzahl an Modulationseffekten braucht, aber nur noch einen Slot auf dem Board frei hat, kann sich mit den folgenden Tretminen verhelfen:
Walrus Audio Mako M1 mkII
Die Mako-Serie geht mit dem MkII in die zweite Runde. Dieses Standardformat-Pedal ist randvoll mit Sounds: Sechs Modulationstypen (Chorus, Phaser, Tremolo, Vibrato, Rotary, Filter) und sechs Lo-Fi-Varianten (Envelope, Drive, Space, Age, Noise, Warble).
Über sechs Potis und ein dreigeteiltes Display lässt sich alles intuitiv einstellen. Dank MIDI kannst du bis zu 127 Presets speichern.
Mehr Infos zum Walrus Audio Mako M1 mkII
Universal Audio Astra
UAD-typisch bekommst du hier hochwertige Emulationen von Chorus, Flanger und Tremolo. Über sechs Potis steuerst du Parameter wie Speed, Depth, Intensity, Shade, Shape und Mode. Stereo In & Out wie bei allen großen UAD-Pedalen.
Ein Preset lässt sich direkt am Gerät speichern – mit der UAFX Control App greifst du auf zahlreiche Community- und Artist-Presets zu.
Mehr Infos zum Universal Audio Astra
Electro Harmonix MOD11
Auch EHX hat eine Multi-Modulation im Programm. Der MOD11 beherbergt – wie der Name vermuten lässt – elf verschiedene Modulationseffekte, die du über drei Potis einstellen kannst. Ein Zusatzanschluss für einen Fußtaster erlaubt Tap Tempo.
Über den kleinen „Mode“-Button erhältst du Zugriff auf Sekundärfunktionen einzelner Regler. Elegant, effizient – und effektiv (Wortspiel beabsichtigt).
Mehr Infos zum Electro Harmonix MOD11
Weitere Kombinationen
Welche Effektart lädt am meisten zum Experimentieren ein? Korrekt: Reverb! Der Markt ist voll von kreativen Reverb-Kombinationen – ganze Bücher ließen sich darüber schreiben. Hier meine persönlichen Highlights:
Reverb & Tremolo – der Sound der 50s
Kein Wunder, dass diese Kombi schon in frühen Fender-Amps zu finden war – sie klingt einfach fantastisch! Amp an, Gitarre rein, und schon katapultiert dich der erste Akkord zurück ins Atomic Age.
Diese Stimmung (Western-Vibes, Surf-Rock) liefern z. B. der Strymon Flint und der Fender Tre-Verb – mit frei wählbarer Effektreihenfolge. Mit einer Strat und einem cleanen Deluxe Reverb klatscht du förmlich am Brett fest. Plötzlich versuchst Du dich an Dick-Dale-Licks – ganz ohne Zerreerfährt man erst, ob man wirklich Tremolo-Picking kann!
Reverb & Delay – erschüttert das Raum-Zeit-Kontinuum deines Boards
Ob ihr euer Solo „andicken“ oder einfach einen Ton für drei gefühlte Stunden nachhallen lassen wollt, ist Euch überlassen. Aber wenn ihr Eurem Sound eine gewisse Tiefe oder gar eine weitere Dimension verleihen wollt, kommt ihr nicht um diese Mischung herum. Nennenswerte Vertreter sind hier das Boss SE-2 Space Echo und das KMA Cirrus. Beide klingen unglaublich und haben je nach Modus noch das ein oder andere Modulations-Ass im Ärmel.
Der Einstieg in die Welt der Effektpedale (Teil 1): Verzerrer
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