Bluegrass – Die Seele der amerikanischen Roots-Musik
Bluegrass ist mehr als nur eine Musikrichtung – es ist ein Lebensgefühl, tief verwurzelt in der Geschichte der amerikanischen Südstaaten. Geprägt von schnellen Banjo-Pickings, harmonischem Gesang und virtuosen Instrumentalstücken, verbindet Bluegrass traditionelle Folkmusik mit modernem Drive. Seit Bill Monroe in den 1940er Jahren den Grundstein legte, hat sich das Genre stetig weiterentwickelt, ohne seine Wurzeln aus den Augen zu verlieren. Doch was macht Bluegrass so einzigartig? In diesemTeil unserer Serie zum Thema Country-Musik tauchen wir ein in die Welt der Fiddle, Mandoline, der Dobro-Gitarre und natürlich dem 5-String Banjo und schauen, was die Faszination hinter dieser energiegeladenen Musikrichtung eigentlich ausmacht!
1930: Golden Age of Radio

Die Geschichte des Bluegrass beginnt in der Nähe der winzigen Gemeinde Rosine im US-Bundesstaat Kentucky. Oder genauer gesagt, auf der Farm der Monroe-Familie. Hier wuchsen die drei Brüder Birch, Charlie und Bill Monroe auf, wobei gerade Bill schon früh durch den einflussreichen Fiddler Arnold Shultz mit der Bluesmusik in Berührung kam. Birch und Charlie lernten die Fiddle und Gitarre zu spielen, Bill spielte als jüngster der drei Brüder die Mandoline.
Als die Brüder 1929 nach Norden in den „Rust Belt“ nach East Chicago, Indiana zogen, um dort in der Sinclair Ölraffinerie zu arbeiten, gründeten sie gemeinsam mit einem Freund namens Larry Moore die „Monroe Brothers“. Das Quartett verstand sich als klassische String Band und spielte auf örtlichen Veranstaltungen und Partys. Während die älteren Brüder Birch und Charlie die Band schon bald wieder verließen, machten Bill und Larry als Duo weiter und erarbeiteten sich erste Auftritte bei örtlichen Radiosendern. 1936 folgte bereits der erste Plattenvertrag bei RCA Victor.
Bill Monroe & His Blue Grass Boys

Nach der Auflösung der Monroe Brothers und den eher kurzlebigen „Kentuckians“ stellte Bill eine Band fähiger Musiker zusammen, die ab dem Jahr 1938 unter dem Namen „Blue Grass Boys“ firmierten. Der Ritterschlag für Bill und seine Band erfolgte bereits ein Jahr später im Oktober 1939 durch die Aufnahme ins reguläre Programm der legendären Radioshow Grand Ole Opry – dem heiligen Gral der Country-Musik.
Selbstverständlich fanden sich in den ständig wandelnden Besetzungen der Blue Grass Boys zahlreiche talentierte Musiker wieder, die durch virtuose Spieltechnik und flinke Soloeinlagen ihr Können am Instrumenten eindrucksvoll unter Beweis stellten und bis heute zu absoluten Legenden in ihrer jeweiligen Disziplin gelten. Als erster Banjospieler der Truppe stieß zunächst David „Stringbean“ Akeman im Jahr 1942 hinzu, der als Virtuose des damals verbreiteten Clawhammer-Style galt. 1945 wurde Stringbean in seiner Rolle am Banjo durch den damals blutjungen Earl Scruggs abgelöst, der gemeinsam mit Lester Flatt an der Gitarre in die Band eintrat. Earls innovativer „Three-Finger Scruggs Style“ revolutionierte nicht nur die Spielweise des Banjo, sondern sorgte ebenfalls für einen Shift innerhalb der Band weg vom „old-fashioned“ Stringband-Stil hin zu neuen Entwicklungen, die den Traditional Bluegrass in den Folgejahren nachhaltig prägten.
Die bekannteste Formation der Blue Grass Boys ist heute als „Original Bluegrass Band“ bekannt: Bill Monroe an der Mandoline, Lester Flatt an der Gitarre, Earl Scruggs am Banjo, Robert „Chubby“ Wise als Fiddler und Howard Watts – auch unter Pseudonym „Cedric Rainwater“ – am Bass.
1940 – 1950: Traditional Bluegrass
Im Lauf der Vierzigerjahre separierte sich der Spielstil der Blue Grass Boys vom Country und nannte sich treffenderweise „Bluegrass“. Genau wie der Name von Bills Band bezieht sich die Bezeichnung auf den ‚Bluegrass State‘ Kentucky, der als Wiege der Bluegrass-Musik gilt. Der Beiname geht allerdings nicht auf diese besondere Spielart der Country-Musik zurück. Stattdessen gilt das „Kentucky Bluegrass„, das den weiten Grasweiden Kentuckys jedes Jahr im Frühling ihre satte grünblaue Färbung verleiht, als Namenspate.
Nachdem die Blue Grass Boys in der Mitte der Vierzigerjahre den Höhepunkt ihrer Popularität erreichten, gründeten sich in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zahlreiche weitere Bands und Gruppierungen. Als erste Band, die den Stil der Blue Grass Boys spielte, zählen die 1946 gegründeten Stanley Brothers. Parallel dazu fingen die aus Kentucky stammenden Osborne Brothers in den frühen Fünfzigerjahren an, ebenfalls Bluegrass-Musik zu spielen.
The Stanley Brothers & The Clinch Mountain Boys

In den Mittvierzigern gründete sich im Dickenson County, Virginia, die aus den Brüdern Ralph Stanley und Carter Stanley bestehende Band Lazy Ramblers. Diese fand allerdings durch den Kriegseintritt der USA relativ früh ihr Ende. Nachdem die Brüder aus dem Kriegsdienst wiederkehrten, formierten sie sich als Stanley Brothers neu und erlangten in erster Linie durch Cover-Versionen von Bill Monroes Songs über die Staatsgrenzen Virginias hinaus Aufmerksamkeit. Auch die Stanleys konnten sich im Laufe der Jahre auf eine Reihe äußerst talentierter Musiker verlassen, die als Clinch Mountain Boys bekannt wurden. Zu den berühmtesten Mitgliedern zählen gestandene Größen wie der preisgekrönte Sänger Larry Sparks, Profi-Mandolinist Ricky Skaggs und Singer-Songwriter Keith Whitley.
Im Jahr 1966 fanden die Stanley Brothers jedoch ein jähes Ende: der alkoholkranke Carter Stanley starb mit 41 Jahren an den Folgen einer Leberzirrhose. Bruder Ralph führte die Clinch Mountain Boys jedoch weiter und fand angemessenen Ersatz für Carter in seinem Sohn Ralph Stanley II, der als talentierter Lead-Singer und Gitarrist in die Fußstapfen seines Onkels trat.
Ralph Stanleys Musik wurde einer neuen Generation durch den Film O Brother, Where Art Thou? aus dem Jahr 2000 bekannt, dessen Soundtrack zahlreiche Stanley-Titel wie „O Death“ und „Angel Band“ beinhaltet und sogar mehrere Grammys einheimsen konnte. Absolut empfehlenswert!
Flatt and Scruggs und die Foggy Mountain Boys
1948 verließ Earl Scruggs die Blue Grass Boys aufgrund des strapaziösen Touren-Alltags schon wieder. Lester Flatt folgte ihm und sie gründeten im selben Jahr das Duo Flatt and Scruggs. In den folgenden 20 Jahren entwickelten sich Lester Flatt und Earl Scruggs mit ihrer Begleitband, den Foggy Mountain Boys, zum absoluten Goldstandard des Bluegrass. Als unsterblicher Klassiker ist hier der erstmals 1949 aufgenommene Foggy Mountain Breakdown zu nennen. Der virtuose Instrumentaltitel wurde als Soundtrack zum Film Bonnie & Clyde aus dem Jahr 1967 einem größeren Publikum bekannt und zählt bis heute zu den berühmtesten Bluegrass-Breakdowns. Kein Wunder also, dass der Foggy Mountain Breakdown bis heute zum festen Repertoire eines gestandenen Bluegrass-Musikers gehört!
Auch die Foggy Mountain Boys bildeten zu dieser Zeit das Who-is Who der Szene ab und brachten im Laufe der Jahre zahlreiche erstklassige Musiker hervor. Während Bluegrass-Fiddler Paul Warren in seiner Zeit bei den Boys den traditionellen Stil von Fiddlin‘ Arthur Smith perfektionierte, begannen Mandolinisten wie Everett Lilly oder ‚Curly‘ Seckler hier ihre Jahrzehnte umfassenden Karrieren, die sie bis in die International Bluegrass Hall of Fame führen sollten. Andere Musiker wie der Bassist Bob Moore sicherten sich hingegen ihren Platz beim legendären Nashville A-Team, wo sie Seite an Seite mit Country-Giganten wie Chet Atkins oder Hank Garland spielten.
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