Wer in den Neunzigerjahren einen Blick auf den E-Gitarrenmarkt warf, bekam damals schon hauptsächlich die alteingesessenen Platzhirsche zu sehen: Strat, Tele, Les Paul. Zwar unternahmen in den Seventies und Eighties bereits einzelne Tüftler wie Ned Steinberger erste Bestrebungen, mit technologischen Neuerungen wie Carbonhälsen und ergonomischen Headless-Bauformen zu experimentieren. Allerdings konnte auch Ned nur eine kleine Schar an Gitarristen mit seinen eigenwilligen Designs überzeugen, der Rest verblieb beim altbewährten Standard.
Es schien also ganz so, als sei die E-Gitarre bereits erfunden. Doch ein Gitarrenbauer aus Massachusetts sah das anders: Ken Parker. Ken wollte die E-Gitarre neu denken und sie leichter, ergonomischer, präziser gestalten. Das Ergebnis war ein Instrument, das nicht nur seiner Zeit weit voraus war, sondern tatsächlich auch bei einer vergleichsweise großen Anzahl an Gitarristen verfing – die Parker Fly.
Ken Parker – Kluger Kopf hinter der Marke

Ken Parker wuchs in den 1950er-Jahren in den USA auf und kam in seiner Jugend sowohl mit Musik als auch mit Holzbearbeitung in Berührung. Schon früh baute er eigene Instrumente und sammelte als Servicetechniker für Stuyvesant Music in Manhattan wertvolle Erfahrung im Gitarrenbau. Nachdem er 1983 eine eigene Werkstatt eröffnete und an klassischen Saiteninstrumenten wie Violinen, Celli und Lauten arbeitete, gründete er in den frühen Neunzigerjahren schließlich Parker Guitars. Hier begann er, über eine neue Art von E-Gitarre nachzudenken und mit Kombinationen aus modernen Werkstoffen wie Carbon oder Polymer und traditionellen Tonhölzern zu experimentieren.
Parker Fly – High-Tech trifft Handwerkskunst
Das erste Modell der noch jungen Company, die Parker Fly, stellte Ken auf der NAMM Show 1993 vor, wo das Modell wie eine Bombe einschlug. Was die Fly von früheren Experimenten abhob, war die Tatsache, dass sie die Verwendung moderner Verbundmaterialen aus Holz, Kohle- und Glasfaser mit einem attraktiven Design verband und so auch traditionellere Gitarristen ansprach.

Die Parker Fly konnte vor allem mit folgenden Aspekten besonders punkten:
- Komposithals: Der glasfaserverstärkte Hals verzieht sich nicht und lässt präzise Einstellungen zu.
- Ultraleichtbauweise: Die meisten Modelle wiegen unter 2,5 kg.
- Ausgeklügeltes Vibrato-System: Das patentierte Parker Fly Tremolo verfügt über drei einstellbare drei Arbeitsweisen (Floating, Fixed, Down only).
- Magnet-Pickups + Piezo: Beide Pickup-Systeme sind separat oder gemeinsam nutzbar.
Zu den bekanntesten Design-Merkmalen, die der Fly ihren hohen Wiedererkennungswert bescheren, zählt ganz klar ihre zackige Silhouette, die sich am oberen Horn und in der Form der freischwebenden Kopfplatte widerspiegelt. Der Korpus war meist aus Mahagoni, Pappel oder Sumpfesche gefertigt und bat einen nahtlosen Übergang zum Hals, der sich vor allem im Spiel der hohen Griffbrettlagen bemerkbar machte.

Wie klingt die Parker Fly?
Der Sound der Parker Fly war für viele das willkommene Bindeglied zwischen Fender und Gibson – klar artikulierte Sounds im Stile der Strat oder Tele, jedoch mit lang anhaltendem Sustain à la Les Paul. Durch das zusätzliche Piezo-System sprach das Modell auch Gitarristen an, die eher im akustischen Bereich tätig sind. Der Piezo der Fly wurde übrigens von niemand Geringerem als Pickup-Gigant Larry Fishman entworfen. Insofern ist es also kein Wunder, dass die Parker Fly als ideale Studio- und Stage-Gitarre gehandelt wurde.
Zu den Artists, die auf die Parker Fly setzten, zählen Größen wie Living Colours Vernon Reid, Adrian Belew von King Crimson und Michael-Jackson-Gitarristin Jennifer Batten. Aber auch Reeves Gabrels griff für die Gitarrenarbeit an Seite von David Bowie gerne auf seine Fly zurück.
2000 – Ausbau des Fly-Sortiments und Übernahme durch U.S. Music Corp
Mit Beginn des neuen Millenniums baute Ken Parker sein Produktsortiment auf Basis der Fly konsequent aus. Um das Portfolio zu diversifizieren und Gitarristen unterschiedlicher Couleur anzusprechen, wurden die Modelle Fly Classic, Fly Deluxe, Fly Artist und Fly Mojo eingeführt. Als günstigere Alternativen kamen die P- und NiteFly-Serien mit traditionellerer Ausstattung hinzu.
Im September 2003 verließ Ken Parker sein Unternehmen, im Jahr 2004 folgte der Umzug der Produktionsstätte von Massachusetts nach Mundelein, Illinois. Die Modelle Fly Mojo und Fly Bass zählen zu den letzten Designs, an denen Ken aktiv beteiligt war. Fans und Kennern ist die Zeit von 1993 bis ca. 2004 daher auch als „Ken Parker Years“ bekannt.
2010er-Jahre – Ende des Parker-Hype
In den folgenden Jahren übernahm Gil Vasquez die Verwaltung der Produktion, die zeitweise zwischen den Facilities in Massachusetts und Illinois stattfand. Nach Übernahme der U.S. Music Corp durch Jam Industries im Jahr 2009 wurde das Parker-Sortiment weiterhin produziert. Allerdings ließ das Interesse an Parker-Instrumenten in den 2010er-Jahren nach, die Verkaufszahlen sanken kontinuierlich. Die klassischen Bauformen und Fertigungsschritte der Platzhirsche Fender und Gibson erfreuten sich wieder größerer Beliebtheit, die jüngeren Gitarristen des damals vorherrschenden Nu-Metal und Metalcore orientierten sich hingegen an den Japanern Ibanez und ESP. Die innovative Parker Fly geriet zunehmend in den Hintergrund. Die Schließung der US-Produktion ließ nicht lange auf sich warten und erfolgte im Jahr 2015.

Ken zog sich schließlich zurück und konzentrierte sich im Rahmen seines Projekts Archtoppery zuletzt auf den Bau von Archtop-Gitarren, die er in individueller Sonderfertigung herstellte. Am 5. Oktober 2025 starb Ken Parker im Alter von 73 Jahren an den Folgen seiner Krebserkrankung.
Fazit – das Erbe der Parker Fly
Obwohl Instrumente von Parker mittlerweile nur noch selten auf der Bühne zu sehen sind und in der aktuellen Generation junger Gitarristinnen und Gitarristen keine wirkliche Rolle mehr spielen, ist ihr Vermächtnis nicht zu leugnen. Zum Einen etablierte die Parker Fly die Verwendung neuartiger Materialien wie Kohlefaser, Graphit und Verbundstoffe im Gitarrenbau und legte die Messlatte höher, was Gewicht und Ergonomie anbelangt. Auch die hybride Herangehensweise der Kombination aus Magnet-Tonabnehmer und Piezo wurde von Herstellern wie PRS, Music Man oder Fame übernommen.
Zwei Tage vor seinem Tod veröffentlichte Ken Parker folgendes Statement, das seine Philosophie und sein Erbe im Gitarrenbau gekonnt zusammenfasst:
My deepest and most heartfelt thanks to all of you. It’s been the experience of my lifetime being able to share my life’s work and knowledge with each of you through my instruments and via Archtoppery, and see that you get it. My hope is that you all build on what I’ve learned and shared, and take everything to the next level.
Da Kens Krebserkrankung hohe Behandlungskosten hinterließ, ist die entsprechende GoFundMe-Kampagne nach wie vor aktiv. Wenn ihr Kens Witwe Susan Kolwicz und der Parker-Familie mit einer Spende helfen möchtet, könnt ihr das unter folgendem Link tun:
https://www.gofundme.com/f/help-ken-parker-in-his-struggle-with-cancer
