Ein kleiner, silberner Koffer – äußerlich schon ziemlich ramponiert und definitiv kein ästhetisches Highlight – steht hinter meinem Gitarrenverstärker. Vor dem Soundcheck stelle ich ihn dezent an seinen Platz, nach dem Gig räume ich ihn wieder ein. Das Kuriose: Er bleibt meist den ganzen Abend über geschlossen. Und dennoch ist dieser unscheinbare Begleiter einer der wichtigsten Gegenstände auf der Bühne. Denn dieser Koffer ist mein persönliches Sicherheitsnetz – mein Notfallkoffer.
Er ist Backup und Lebensversicherung in einem, meine stille Rückversicherung bei jedem Live-Auftritt. Kein Publikum bekommt ihn je zu Gesicht, aber er gibt mir das beruhigende Gefühl, für (fast) jedes technische oder organisatorische Problem gewappnet zu sein.
Warum überhaupt ein Notfallkoffer?
Wer regelmäßig live spielt, weiß: Unvorhergesehenes passiert. Immer. Eine Saite reißt im ersten Song, ein Kabel gibt den Geist auf, das Netzteil des Pedalboards blinkt nur noch traurig vor sich hin – und das Konzert soll gerade beginnen.
In genau solchen Momenten zählt nicht das teuerste Equipment, sondern der kühle Kopf und die passende Soforthilfe aus dem Koffer. Dabei muss nicht alles in Profi-Qualität sein, aber es muss funktionieren. Und es muss griffbereit sein – in Sekunden.
Der Notfallkoffer sorgt dafür, dass aus einem potenziellen Desaster nur ein kurzer Zwischenfall wird. Kein Herumfragen bei Bandkolleg*innen, kein Hektik-Schweiß, keine Pannen-Show vor Publikum.
Was gehört in einen durchdachten Notfallkoffer?
1. Saiten – Deine erste Verteidigungslinie

Je nach Einsatzgebiet habe ich für jedes meiner Instrumente Ersatzsaiten dabei:
- E-Gitarrensaiten
- Akustikgitarrensaiten
- Basssaiten
Manchmal reicht schon ein zu beherzter Anschlag – und schon verabschiedet sich eine Saite. Gerade auf der Bühne, unter Scheinwerfern, mit feuchten Händen, ist ein Saitenriss keine Seltenheit. Ersatzsaiten kosten wenig, retten aber den Gig.
2. Werkzeug – Kleine Helfer, große Wirkung
Im Koffer liegt ein Multitool mit Seitenschneider, ergänzt durch eine Auswahl an Inbusschlüsseln. Solche Tools wiegen kaum etwas, sind aber Gold wert, wenn die Gitarre plötzlich schnarrt, das Tremolo spinnt oder sich die Halskrümmung bei Wetterumschwung verändert.
3. Kabel – Die stillen Helden

Ich verlasse mich nie darauf, dass alles auf der Bühne funktioniert. Daher habe ich folgende Kabel immer dabei:
- 1x XLR-Kabel (für Mikro oder DI-Out)
- 1x Instrumentenkabel
- 1x Kaltgerätekabel (Power für Amp oder Pedalboard)
- Einige Patchkabel
Gerade Patchkabel sind oft Schwachstellen am Pedalboard. Ein Wackler kann die gesamte Signalkette lahmlegen – also lieber drei zu viel als eines zu wenig einpacken.
4. Netzteil & Daisy Chain – Rettung für deine Pedale
Falls das Pedalboard-Netzteil ausfällt, habe ich ein One Spot Netzteil und eine Daisy Chain parat. Damit kann ich notfalls alle essenziellen Pedale betreiben – Reverb, Tuner, Overdrive. Vielleicht nicht ideal, aber funktional.
5. DI-Box – Der Plan B für Bass und Akustik
Wenn der Akustik-Preamp oder das Bass-Amp-Setup versagt, geht’s mit der DI-Box direkt ins Mischpult. Keine Klangzauberei, aber: Der Gig läuft weiter.
6. Gitarrengurt – Der unterschätzte Lebensretter
Kaum zu glauben, wie oft ich schon Kollegen oder mir selbst mit einem Ersatzgurt ausgeholfen habe. Ich empfehle einen dünnen Nylongurt – nimmt kaum Platz weg, bringt aber maximale Wirkung.
7. Mikrofone – Gut, wenn man sie nicht braucht, aber…

Ich habe immer ein einfaches Gesangsmikrofon und ein Instrumentenmikro (z. B. Fame-Mikros – top Preis-Leistung) im Koffer. Wenn mal das Clubmikro defekt ist, kann ein schneller Austausch die Show retten. Mikrofonklemmen nicht vergessen!
8. Plektren & Pickholder
Ein Päckchen Plektren ist Pflicht. Ich nutze zusätzlich einen Pickholder am Mikroständer – spart Suchen und wirkt professionell.
9. Fast Fret – Saubere Saiten, besseres Spielgefühl
Ideal für den schnellen Saiten-Service vor dem Gig: Fast Fret reinigt die Saiten, verlängert ihre Lebensdauer und verbessert das Feeling.
Für Fortgeschrittene & Vielspieler: Erweiterungen
12AX7-Vorstufenröhre
Diese Standardröhre ist in den meisten Amps verbaut und kann einfach selbst gewechselt werden. Wer Röhrenamps spielt, sollte eine Ersatzröhre dabeihaben – der Wechsel dauert wenige Minuten und kann einen kompletten Gig retten.
Lötkolben & Ersatzteile
Ein kompakter Lötkolben, dazu ein Ersatzpoti, eine Klinkenbuchse – perfekt für Reparaturen auf Tour oder im Backstage. Achtet bei den Potis auf die entsprechenden Werte. Als Faustregel gilt 250er für Single Coils, 500er für Humbuckergitarren.
DeoxIT-Kontaktspray
Ein paar Tropfen auf ein kratzendes Poti oder einen knackenden Schalter – und alles läuft wieder. Echte Wunderwaffe im Tour-Alltag.
Zusätzliche Helfer: Klein, aber nützlich

Folgende kleine Utensilien können unter Umstanden zum wahren Lebensretter werden:
- Magnesium: Gegen Krämpfe
- Nagelschere: Für zu lange oder eingerissene Fingernägel ein Segen
- Pflaster: Saitenrisse enden manchmal blutig
- Handschuhe: Für Bühnenaufbau bei Kälte oder schlechter Witterung
- Gaffa-Tape: Universallösung für alles von Kabeln bis zum Gitarrengurt
Ist das alles nicht zu viel Aufwand – und zu teuer?
Die klare Antwort: Nein.
Du musst keine Luxusausstattung in deinen Koffer packen. Es geht nicht um Boutique-Equipment, sondern um Zuverlässigkeit im Ernstfall. Wer live auftritt, trägt Verantwortung – für den eigenen Sound und für das Gesamterlebnis des Publikums.
Wichtig ist, dass du das Equipment im Koffer regelmäßig testest. Was nützt ein Ersatzkabel, wenn es selbst einen Wackelkontakt hat?
Mein Fazit: Der Notfallkoffer ist Pflicht
Ich habe auf Touren schon Gitarrenkabel geschrottet, Netzteile verloren und Gurte in Backstage-Kellern vergessen. Seit ich meinen Koffer nutze, habe ich stets ein gutes Gefühl.
Wann auch immer ich auf der Bühne stehe, wird ein kleiner, silberner Koffer still, aber zuverlässig seinen Platz hinter meinem Verstärker einnehmen. Er steht nicht im Rampenlicht, aber ohne ihn wäre manches Konzert ganz anders verlaufen. Danke Koffer!
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