Reverb – die Geschichte des Hall-Effekts (Teil 2)

Boom der Modulationspedale

Im ersten Teil dieser Story haben wir uns die Anfänge und insbesondere die Entwicklung von natürlichen und mechanischen Hall-Effekten angeschaut. Nun blicken wir auf die kommenden Jahrzehnte der 1970er- und 80er-Jahre, in denen analoge Effektpedale aus dem Boden schossen und die digitale Revolution neue Wege für kompakte Bodentreter ebnete. In den 70er- und 80er-Jahren entwickelte sich die Technologie des mechanischen Reverb-Effekt nicht wirklich weiter, da Modulationseffekte wie Chorus, Delay, Phaser und Flanger den Sound der beiden Jahrzehnte prägten. Dank der innovativen analogen Eimerkettenschaltung (Bucket Brigade Device) ließen sich solche Modulationseffekte in kompakte Pedalgehäuse verbauen, während der Reverb-Effekt lediglich in Verstärkern für Gitarristinnen und Gitarristen limitiert blieb.

Das Roland Space Echo RE-201 beinhaltete Mitte der 70er-Jahre einen kompakt kombinierten Delay-/Reverb-Effekt, der einen grandiosen Tape-Sound lieferte, jedoch ebenso auf Studioeinsätze begrenzt war. Zwar konnten Chorus- oder Delay-Effektpedale wie das CE-1 Chorus Ensemble oder der legendäre Electro Harmonix Memory Man einen raumfüllenden, Reverb-ähnlichen Charakter „immitieren“, jedoch blieb die Weiterentwicklung eines kompakten Hall-Effektpedals bis Ende der 1980er-Jahre vorerst nahezu stehen.

Die Digitale Revolution der 1980er-Jahre

Das erste kompaktes Reverb-Pedal

Boss Reverb RV-2 (Foto: rolandmuseum.de)

Vorreiter der kompakten Bodentreter waren digitale Effektprozessoren wie das Lexicon 224 oder das Yamaha SPX90, die in den 1980er-Jahren für Studioeinsätze kompakter und vielseitiger waren und den Weg zum ersten digitalen Reverb-Pedal ebneten: Mit dem Boss RV-2 erschien 1987 das erste kompakte, vollständig digitale Reverb-Pedal, welches als erstes seiner Art kommerziell erfolgreich wurde.

Mit vier verschiedenen Modi konnte das RV-2 Room-, Hall-, Plate- und Gated-Reverb auf Abruf erzeugen, was es zu dieser Zeit in dieser Form noch nicht gab. Zwar fraß das Pedal mit 12V und 130mA im Vergleich zu anderen Effektpedalen relativ viel Strom, dennoch lieferte es trotz eines höheren Rauschpegels solide Hall-Effekte, die es bis dato in dieser kompakten Form nur in Studios bzw. in größeren Geräten zu finden waren.

Neben einer zusätzlich vorhandenen Delay-Einstellung sorgte das Gated-Reverb des RV-2 für einen Nachhall, der abrupt abgeschnitten wurde und einen typischen 80er-Jahre-Charakter transportierte, welcher beispielsweise auf Phil Collins‘ Drums im Song In the Air Tonight zu hören ist. 1994 wurde das RV-2 durch das Boss Digital Reverb/Delay RV-3 abgelöst, welches mit 11 Modi, die sowohl einzelne Reverb- und Delay-Effekte als auch Kombinationen aus beiden Effekten lieferten, eine Bandbreite an Sounds ermöglichten.

Moderne Reverb-Pedale

Mit der exponentiell ansteigenden Digitalisierung der späten 90er- und Anfang der 00er-Jahre entwickelte sich der digitale Hall-Effekt ebenso stetig weiter, wodurch der Startschuss für neue moderne Halleffekte geebnet wurde: Line 6 lieferte 2005 mit dem Verbzilla ein Effektpedal, welches auf dem Algorithmen des legendären Line 6 DL4/M13 basierte und aufgrund seiner verschiedenen Modi äußerst begehrt wurde.

Line 6 Verbzilla Reverb-Pedal Effektpedal Reverb
Line 6 Verbzilla Reverb-Pedal

Unter anderem sorgte der „Octo“-Modus für einen Oktav-Shimmer-Effekt, der bis dato eines der ersten Pedale mit einem echten Shimmer-Reverb war und die Tür für tolle Ambient-Sounds öffnete, noch bevor Botique-Pedale von Strymon oder Chase Bliss ihre Dauerbrenner im kommenden Jahrzehnt veröffentlichten:

Seit den 2010er-Jahren verpackten Effektpedale immer aufwendigere Technik in Pedalboard-freundlichen Gehäuseformaten und schufen eine Bandbreite an Klangmöglichkeiten, die bis heute die Schnittstelle zwischen Effektpedal und Studioequipment immer enger schnürten.

Effekte wie das Electro Harmonix Cathedral (2009), das Eventide Space (2011) und das Strymon BlueSky (2010) sowie das Big Sky (2013) lieferten zahlreiche Reverb-Algorithmen, die nicht nur authentische Vintage-Halleffekte mitbrachten, sondern ebenso exotische Shimmer-, Reverse- oder Modulations-Reverbs studiotaugliche Klänge und dichte Ambient-Texturen realisieren konnten.

 

Electro Harmonix Cathedral Stereo Reverb
Cathedral Stereo Reverb von Electro Harmonix
Strymon Big Sky Reverb Effektpedal
Strymon Big Sky Reverb

 

 

 

 

 

 

Ein langer Weg: Von Kathedralen bis zu digitalem Hall

Während Kathedralen, Echokammern, mechanische Plate- und Spring-Effekte den Weg des Halleffekt über Jahrzehnte oder gar über Jahrhunderte ebneten, finden sich mittlerweile zahlreiche Reverb-Pedale, die eine Bandbreite an klassischen und modernen Halleffekten liefern und für Einsatzbereiche außerhalb des Tonstudios in den eigenen vier Wänden einfach und intuitiv eingesetzt werden können.

In Anbetracht dieser umfangreichen Geschichte des Reverbs können wir uns glückglich schätzen, dass wir mittlerweile eine gigantische Auswahl an diversen Hall-Pedalen vorfinden, die für sich für jeden individuellen Geschmack eignen.

Mehr zum Thema:

Reverb – die Geschichte des Hall-Effekts (Teil 1)

Der Einstieg in die Welt der Effektpedale (Teil 1): Verzerrer

Der Einstieg in die Welt der Effektpedale (Teil 2): Hall- und Modulationseffekte

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